Keine 61 Millionen Franken für die Abschottung der Festung Europas

Der Bundesrat und das helvetische Parlament haben entschieden, dass sich unser Land am Ausbau der Frontex beteiligt. Frontex ist die Grenzschutzagentur des Schengen-Raumes. Der Schweizer Beitrag an Frontex soll von 14 Millionen Fran­ken auf 61 Millionen pro Jahr steigen. Zudem würde sich das Schweizer Grenz­wachtkorps vermehrt an bewaffneten Frontex-Einsätzen im Ausland beteiligen. Gegen diesen Entscheid wurde von einer Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten um das Migrant Solidarity Network (MSN) das Referendum ergriffen. Das Referen­dum kam im Januar 2022 zustande.

(1) www.frontex-referendum.ch

Am 15. Mai 2022 wird nun in der Schweiz über das Referendum «Nein zu Frontex, Ja zur Bewegungsfreiheit» abgestimmt.

In der Schweiz ist es möglich Entscheide des Bundesrates und des Parlamentes mit einem Referendum anzufechten. Innerhalb von 100 Tagen seit Publikation eines Erlasses im Bundesblatt müssen 50’000 gültige Unterschriften zusammenkommen, (2) Referenden (admin.ch)

Was ist Frontex?

Frontex ist die Grenzschutzagentur der Europäischen Union. Sie wurde 2005 gegrün­det. Seither ist ihr Budget von 6 Millionen Euro um 7000% gestiegen und soll für den Zeitraum von 2021-2027 ganze 11 Milliarden Euro betragen. Personell soll die Ein­satztruppe von Frontex bis 2027 auf ein eigenes stehendes Heer mit 10’000 Grenz­schutzbeamten aufgestockt werden.

Die Haupt-Aktivitäten der Frontex sind:

  • Rückführungen von «irregulären Migranten» (dabei: direkte und indirekte Verwicklung in illegale Pushbacks). Pushbacks steht für die Zurückweisung von Flüchtenden an den Grenzen zu Europa
  • Planung und Durchführung von Ausschaffungen in der gesamten EU
  • Aufrüstung lokaler Grenzschutzbehörden und Ausstattung mit wichtigem Know-how (speziell im Bereich der Überwachung über die Angleichung an europäische Standards und Systeme)
  • Verfassen von sogenannten «Risikoanalysen» samt Handlungsempfehlungen (wie bspw. Grenzkontrollen verstärken, Einsätze von Frontex ausweiten oder Ressourcen der Agentur aufstocken)

Zur Ausführung dieser Aktivitäten ist die Frontex nicht nur direkt an den EU-Aussen­grenzen sowie innerhalb der europäischen Länder im Einsatz, sondern über die kon­stant erhöhte Auslagerung des EU-Migrationsregimes auch in immer mehr Drittstaa­ten. Sie arbeitet aktiv mit über 20 Ländern ausserhalb der EU zusammen. Dabei kooperiert die Frontex beispielsweise mit der libyschen Küstenwache, welche mig­rantische Boote abfängt und gewaltsam zurück nach Libyen schleppt, wo Migranten unter massiv gewaltvollen Bedingungen festgehalten werden. Sie unterstützt aktiv die Ausweitung der Luftüberwachung im Mittelmeer, während gleichzeitig die offiziel­len Rettungsmissionen immer weiter reduziert werden. Die Aktivitäten der Frontex fördern das rassistische Narrativ von Migration als Bedrohung, wobei besonders die Risikoanalysen als Eigenlegitimation zur immer weiteren Aufstockung der Frontex benutzt werden. Die Abschottungspolitik der EU kostete seit 1993 über 44’000 Tote, die Dunkelziffer eingerechnet sind es viele mehr. (1) www.frontex-referendum.ch

Stellungnahme des Frontex Referendumskomitees:

«Nein zu Frontex, Ja zur Bewegungsfreiheit: Am 15. Mai wird abgestimmt, ob sich die Schweiz an diesem Ausbau von Frontex beteiligt. Wir sagen JA zur Bewegungs­freiheit für alle und NEIN zu Geld für die Frontex.

Forderungen

➊ NEIN zur Finanzierung und personellen Unterstützung von Frontex durch die Schweiz!

➋ JA zur Bewegungsfreiheit für alle!

➌ Abschaffung der Frontex als Symbol der abschottenden gewaltvollen europäischen Migrationspolitik!

➍ Stopp der Kriminalisierung von Migration nach Europa und der damit verbundenen Militarisierung der Grenzen

➎ Sichere Migration ermöglichen anstatt gewaltvoll verhindern!»

Wie viele Flüchtlinge gibt es weltweit?

Laut dem UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR wurden Ende 2020 mindestens 82,4 Millionen Menschen auf der ganzen Welt gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. Die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen, 86%, die ins Ausland flohen. wurden in Entwicklungsländern beherbergt, nicht in reichen Ländern.

(4) www.unhcr.org/figures-at-a-glance.html

Erinnert sei am Schluss an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die auch für die 82,4 Millionen Menschen, die auf der Flucht sind, gelten sollten.

(5) unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/

Alle Menschen verfügen von Geburt an über die gleichen, unveräusserlichen Rechte und Grundfreiheiten.

Artikel 13

(1) Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.

(2) Jeder hat das Recht, jedes Land, einschliesslich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

Artikel 14

(1) Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu geniessen.

Hier noch eine Ergänzung von  humanrights.ch newsletter@humanrights.ch zu den gewaltsamen Ausschaffungen aus der Schweiz:

Schweizer Praxis bei Rückführungen auf dem Luftweg gefährdet Menschenrechte

Über 100 Personen werden jährlich gegen ihren Willen auf dem Luftweg aus der Schweiz rückgeführt, darunter auch Familien mit Kindern. Trotz jahrelanger Kritik der Zivilgesellschaft und internationaler Menschenrechtskomitees wenden Polizist*innen auf Rückführungsflügen regelmässig verschiedene Formen von Zwang und Gewalt an. Massnahmen, die in ihrer Umsetzung oft gegen die Menschenrechte verstossen.

(6) Humanrights Newsletter rm

Flughafengefängnis beim Flughafen Zürich-Kloten: Rechts: FG» Abteilung ausländerrechtliche Administrativhaft (Ausschaffungshaft)
Foto: Heinrich Frei

Fussnoten

(1) www.frontex-referendum.ch

(2) Referenden (admin.ch)

(3) «Der Frontex-Report» www.republik.ch/2021/12/07/der-frontex-report

(4) www.unhcr.org/figures-at-a-glance.html

(5) unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/

(6) Humanrights Newsletter rm

Siehe auch: «Hintergrund Migration. Nicht willkommen»

Für Ukrainerinnen sind die Grenzen offen. Andere Flüchtlinge werden geschlagen und zurückgedrängt. Was weiss die Europäische Grenzschutzagentur? Was tut die Schweiz?

Von Sacha Batthyany und Katharina Bracher, NZZ am Sonntag, 17. April 2022

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