Wachstums- und Verdichtungswahn in Zürich Welcome to Babylon

Die Fussballfans und Stadionbauer warten sehnlichst, dass das Hardturm-Fussballstadion in Zürich endlich gebaut wird. Mit dem Stadion sollen auch zwei 137 Meter hohe Hochhäuser mit 570 Wohnungen erstellt werden, damit die Rechnung der Investoren aufgeht. Auch eine Genossenschaftssiedlung mit 174 Wohnungen sollen auf dem Gelände gebaut werden, was zu begrüssen ist. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Zürich haben dem Stadionprojekt mit den Wohntürmen und der Genossenschaftssiedlung am 25. November 2018 zugestimmt, aber es drohen Rekurse, die das Bauvorhaben um Jahre verzögern könnten. (1) Ein prominenter Wortführer der Gegner des Projektes, des «Komitees gegen den Höhenwahn», der frühere Gemeinderatspräsident und Architekt Marcel Knörr, hat sich jedoch unterdessen zurückgezogen, da er massiv unter Druck gesetzt wurde. (2)

Hardturm-Fussballstadion: rechts mit den zwei Wohntürmen und links neben dem Stadion die Genossenschaftssiedlung die zusammen mit dem Stadion gebaut werden sollen. (Printscreen von SRF News

Hochhäuser: nicht vereinbar mit der 2000-Watt-Gesellschaft

Durch den Bau dieser beiden kleinen Wolkenkratzer neben dem Fussballstadion leidet auch die Umwelt, denn der ökologische Fussabdruck von Hochhäusern ist schlecht. Wohnhochhäuser und auch Bürohochhäuser sind im Bau, Betrieb und im Unterhalt wesentlich umweltbelastender als eine Flachbauweise von bis 5 oder 6 Geschossen. Der Bau von Hochhäusern widerspricht krass den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft, die im rot-grünen Zürich angestrebt wird.

Die Zielwerte der 2000-Watt-Gesellschaft bedeuten konkret, dass weltweit der Pro-Kopf-Energieverbrauch bis zum Jahr 2100 auf eine Dauerleistung von 2000 Watt und die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen auf 1 Tonne CO2 pro Person und Jahr gesenkt werden müssten. Zum Vergleich: Im Jahr 2005 lagen diese Werte in der Schweiz bei 6300 Watt respektive 8.7 Tonnen CO2, was das beachtliche Ausmass der nötigen Reduktionen verdeutlicht.

Menschen- und umweltfeindliche Massenbehausungen

Der Architekt Horst Eisterer machte mich darauf aufmerksam, „dass aber auch „sechs- bis 7-geschossige Zinsmaschinen – nicht einmal Hochhäuser – noch schlimmer seien als Hochhäuser, weil es sich hier um menschen- und umweltfeindliche Massenbehausungen der grossen Menge nach handele, die an Legebatterien und Käfighaltung erinnern. (Alexander Mitscherlich) (3)“

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In Hochhäusern wohnen weniger Menschen pro Quadratmeter Wohnfläche

Der Architekt Horst Eisterer, der früher als Dozent an Hochschulen tätig war, schrieb mir weiter: „Bei eigentlichen Hochhäusern sind die Wohnungen teurer als im Flachbau, was zur Folge hat, dass sich dort Leute befinden, die sich eine viel grössere Wohnfläche leisten können als die durchschnittlichen 48 Quadratmeter pro Bewohner in Zürich. Deshalb vermögen Hochhäuser von der beschränkten Anzahl wegen die Dichte nicht wesentlich zu steigern, das heisst eine grössere Bruttogeschossfläche heisst nicht, dass mehr Menschen in einem Haus wohnen werden. Das Absurde: im urbanen Flachbau ist dieselbe Dichte zu erreichen, wenn die Architekten dies wüssten und soziale Verantwortung tragen wollten“.

Stadtrat in Zürich will noch mehr Hochhäuser

Das letzte „Glanzstück“ unseres Stadtrates, schrieb mir später Horst Eisterer, „ist die Absicht, die Richtlinien für Hochhäuser (2001) zu lockern. Man wird den Eindruck nicht los, der Stadtrat stehe im Dienst von masslosen, Verdichtung fordernden Investoren und Architekten, die nicht wissen, dass Hochhäuser bei den bei uns akzeptablen Ausnützungsziffern kein geeignetes Verdichtungstool sind. Hochhäuser haben einen, vergleichsweise zum urbanen Flachbau, sehr schlechten „ökologischen Fussabdruck“. Wegen der höheren Mietzinsen leisten sich solche Wohnungen nur Gutbetuchte oder Doppelverdienende, die mehr Wohnfläche beanspruchen als der Durchschnitt – teils sind es sogar Zweitwohnungen – was die Verdichtungsabsichten zunichtemacht.

Welcome to Babylon, Willkommen in Zürich West

Welcome to Babylon, in Zürich West: Wohnblock, Büro- und Wohntürme beim Bahnhof Zürich-Hardbrücke auf einem Plakat, und das Bürohaus Prime Tower (Fotos Heinrich Frei)

Zürich vernebelt im Wachstums- und Verdichtungswahn

Die Stadtzürcher Bevölkerung soll bis 2035 um 76 000 Personen wachsen. (4) «Grenzen des Wachstums», wie sie der Club of Rome schon 1972 formuliert hatte, gibt es scheinbar für Zürich nicht. Zürich ist eine Stadt, die immer noch benebelt ist vom Wachstums- und Verdichtungswahn. Um diese neuen 76’000 Menschen in Zürich unterzubringen wird es weitere Massenbehausungen brauchen. (Ende 2018 lebten in Zürich 428 737 Personen) Zu erinnern ist: Sechs- bis 7-geschossige Wohnblocks und Hochhäuser, sind zwar profitabel für Investoren, aber nach Studien von Kinderärztinnen, Kinderärzten, Psychologinnen und Psychologen, nicht geeignet für Familien mit Kindern. Auch Kindergärtnerinnen, Mütter und Grosseltern sind gegen ein solches Wohnen von ihren Kindern und Enkeln im sechsten, siebten, achten, neunten, zehnten, elften, zwölften, dreizehnten … Stockwerk.

Kind im Hochhaus allein zu Hause mit TV und Games

Der Erziehungswissenchafter Dr. Marco Hüttenmoser verlangte schon lange Wohnquartiere in dem auch kleine Kinder ihre Umwelt eigenständig erkunden und dort ihre wachsenden Fähigkeiten erproben können. In einem Hochhaus ist dies schlicht nicht möglich, dass Kind muss wie eine Hauskatze zuhause bleiben, beschäftigt wohl mit Fernsehen, PC-Games und die Mutter nervend. (5)

Wohnhochhäuser in Zürich Nord (Fotos Heinrich Frei)

Bürohochhäuser in Zürich Nord (Fotos Heinrich Frei)

Fussnoten

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Hardturm_(Stadion)

(2) https://www.nzz.ch/zuerich/stadion-zuerich-sorge-wegen-einer-erneuten-abstimmung-ld.1481078

(3) Alexander Mitscherlich Die Unwirtlichkeit unserer Städte, Anstiftung zum Unfrieden

https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Mitscherlich

(4) https://www.nau.ch/ort/zurich/stadtzurcher-bevolkerung-wird-bis-2025-um-jahrlich-5000-bis-8000-personen-wachsen-65520146

(5) http://www.kindundumwelt.ch/

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