Als ich vor 14 Jahren die schweizerischen Kriegsmaterialexporte kommentierte, erwähnte ich, dass die Firma Crypto AG in Steinhausen (Kanton Zug) vom 12. – 16. Juni 2006 in Paris an der Rüstungsmesse Eurosatory teilnehmen werde, zusammen mit anderen in der Schweiz ansässigen Kriegsmaterialproduzenten (Kriegsgewinnlern). Die Firma Crypto AG exportierte mechanische Verschlüsselungsgeräte.
Vertraue ehrbaren Menschen, vertraue Crypto AG
Auf der Website von Eurosatory stellte sich die Crypto AG Steinhausen (Zug) damals mit einem Zitat des griechischen Philosophen Demokrit vor:
«Do not trust all men, but trust men of worth; the former course is silly, the latter a mark of prudence.»
(Vertraue nicht allen Menschen, aber vertraue ehrbaren Menschen; das Erste wäre dumm, aber das Zweite ist ein Zeichen der Besonnenheit.)
Weiter konnte man 2006 auf dieser Website lesen: «Die Aufgabe der Aufrechterhaltung der Informationssicherheit gehört in die Hände eines vertrauenswürdigen Partners… Crypto AG ist der bevorzugte Top-Sicherheitspartner für zivile und militärische Behörden… Weltweit. Sicherheit ist unser Geschäft und wird immer unser Geschäft bleiben.»
Crypto AG war im Besitz des US- und deutschen Geheimdienstes
Eine Staat, eine Armee oder eine Firma die Chiffriergeräte, Nachrichten-Verschlüsselungsgeräte kauft rechnet damit, dass ihre Meldungen wirklich verschlüsselt sind und nicht von anderen gelesen werden können. Der ehrbaren Schweizer Firma Crypto AG in der neutralen Schweiz wurde vertraut und ihre Geräte wurden gekauft. Heute weiss man: Diese Crypto AG wurde 1970 vom US-Geheimdienst und dem Deutschen Nachrichtendienst (BND) übernommen. Die US und deutschen «Dienste» manipulierten die Verschlüsselungsgeräte, so dass die Amerikaner und die Deutschen die geheimen Nachrichten lesen konnten. – Die Amerikaner mussten so unter anderem gewusst haben, dass die argentinische Militärjunta von 1976 bis 1983, über zehntausend Menschen ermordet hatte, die Gefangenen aus Helikoptern ins Meer warfen. Der schweizerische Geheimdienst und Leute der Armee und der Bundesverwaltung wussten, dass die Crypto Geräte manipuliert wurden. Der Betrug der Crypto AG wurde jahrzehntelang gedeckt, weil ja der Schweizer Geheimdienst und die Armee seit eh und je sehr eng mit den Amerikanern, den Deutschen und der Nato zusammengearbeitet hatten und noch heute eng verbunden sind.
(1) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Crypto-Villiger-gibt-zu-Spionageskandal-gewusst-zu-haben
Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer ist noch heute stolz
Die Crypto AG gehörte weltweit zu den renommiertesten Firmen, die Chiffriergeräte herstellten. Die Firma beschäftigte 250 Mitarbeiter, in den besten Jahren waren es über 400, und sie belieferte rund 120 Länder, darunter Länder wie Iran, Irak und Ägypten. Eines der wichtigsten Verkaufsargumente war immer schon: die Schweizer Neutralität. Ausspioniert wurden mit den manipulierten Geräten von der CIA und dem BNB neben Ländern in Afrika, Asien und Südamerika auch EU- und NATO-Staaten wie Spanien, Portugal, Italien, Irland und die Türkei. Die Operation, der Betrug der Crypto AG des CIA und des Bundesnachrichtendienstes war ein «Erfolgsprojekt», auf dass der frühere deutsche Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer bis heute noch stolz ist.
Hans Bühler, ein Verkäufer der Crypto Geräte wusste nichts
Hans Bühler ein Angestellter der Firma Crypto AG, wusste nichts von dem Betrug. Er wusste nicht, dass die Geräte, die er verkaufte, manipuliert wurden, so dass der CIA und der deutsche Geheimdienst chiffrierte Nachrichten entziffern konnten. Bühler wohnte später ganz in der Nähe von uns, am Immenweg in Zürich-Oerlikon. Ich kannte Bühler von der Pressekonferenz in Zug, als das Buch von Res Strehle «Verschlüsselt, der Fall Hans Bühler, Iran Prisoner» 1994 vorgestellt wurde. Ein Mitarbeiter der Crypto AG war damals auch an der Pressekonferenz und verteidigte vehement die Geschäfte seiner Firma und die miese Behandlung gegenüber Bühler während seiner Verhaftung im Iran und nach seiner Freilassung.
Jahre später sah ich Bühler manchmal in seinem Garten oder beim Spar an der Wehntalerstrasse. Kaufte er beim Spar so viel ein, dass er zu diesem Laden ganz in der Nähe des Immenweges mit dem Auto fahren musste, oder hatte er immer noch Angst, nachdem die Firma Crypto AG ihn mit 250’000 Franken zum Schweigen gebracht hatte, wie seine Tochter kürzlich sagte? Andere dissidente Mitarbeiter der Crypto AG fürchteten um ihr Leben, wie jetzt bekannt wurde.
Hans Bühler: Im Iran im Gefängnis, gefoltert
Der Journalist Frank Garbely schrieb auf Info Sperber: «Bühler wurde am 18. März 1992 in Teheran verhaftet und in ein Militärgefängnis eingesperrt. Seit 13 Jahren bereits arbeitete er für die Crypto AG. Sein Job: Verkauf von Verschlüsselungsgeräten. Seine Kunden: Ministerien, Armee, Polizei- und Nachrichtendienste. Hans Bühler war mit Abstand der erfolgreichste Verkäufer der Crypto AG. Und der Iran einer seiner Grosskunden. Eigens für das Iran-Geschäft hatte er Farsi gelernt. Seit zehn Jahren reiste er regelmässig nach Teheran, im Schnitt zweimal pro Jahr. Die Verhaftung hielt er zuerst für ein Missverständnis. Das Missverständnis dauerte geschlagene 9 ½ Monate.»
(2) https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/NSA-BND
Zwei wachsame Männer beim Eingang des Hauses am Immenweg in Zürich-Oerlikon in dem Hans Bühler bis zu seinem Tod vor über einem Jahr gewohnt hatte. Bis zu seiner Verhaftung 1992 im Iran arbeitete Bühler für die Firma Crypto AG (Foto Heinrich Frei)
Nach 9 ½ Monate im Gefängnis im Iran von der Crypto AG entlassen
«Am 4. Januar 1993 wurde Hans Bühler endlich freigelassen. Doch kaum zurück in der Schweiz, wurde er von der Crypto AG gefeuert: «Das Vertrauensverhältnis ist schwer gestört. Für eine Weiterbeschäftigung besteht kein Bedarf», hiess es im Entlassungsschreiben. Noch schockierender als die Entlassung: die Crypto AG verlangte von Bühler die Rückerstattung der Kaution von 1 Million Dollar, denn seine Verhaftung im Iran hätte nichts mit der Crypto AG zu tun. Hans Bühler bat um eine Aussprache mit der Direktion. Doch die liess ihn abblitzen und verwies ihn an «unseren deutschen Aktionär». Nur: Niemand wollte Bühler diesen Aktionär benennen.»
Heute weiss man wer dieser Aktionär war, der US-Geheimdienst und der Bundesnachrichtendienst Deutschlands.
«Verschlüsselt, der Fall Hans Bühler, Iran Prisoner»
Der Journalist Res Strehle verfasste 1994 zu diesem Fall das Buch «Verschlüsselt, der Fall Hans Bühler, Prisoner Iran».
Das Buch «Verschlüsselt, der Fall Hans Bühler, Iran Prisoner» ist jetzt wieder in einer Neuauflage im Buchhandel erhältlich.
Zum Buch «Verschlüsselt»: «Die kafkaeske Geschichte einer doppelten Gefangenschaft. Zunächst die neunmonatige Inhaftierung des Zürcher Verkaufsingenieurs Hans Bühler in einem iranischen Militärgefängnis im Jahre 1992. Nach der Rückkehr in die Schweiz folgt Bühlers Entlassung durch die Chiffriergeräte-Firma Crypto AG und seine zweite «Gefangenschaft» in der verzweifelten Suche nach den Gründen für die Zerstörung seiner beruflichen Existenz: Unerlaubter Alkoholkonsum gemäss islamischem Recht? Dafür hätten ein paar Peitschenhiebe als Strafe genügt. Bestechung? Damit hatte er nichts zu tun. Kontakte zu Militärpersonen? Das war Teil seiner Verkaufsarbeit. Geisel zur Verhinderung der Auslieferung eines iranischen Staatsbürgers nach Frankreich? Der Iraner wurde ausgeliefert. Nachrichtendienstliche Verbindungen? Es dauerte bis ins Jahr 2020, bis das Rätsel gelöst war. Die Firma Crypto AG gehörte seit 1970 dem US-Geheimdienst und dem deutschen Bundesnachrichtendienst. Das ist der Anlass dieser Neuauflage.
Hier noch ein neues Buch von Res Strehle zur Crypto Affäre
Res Strehle, Operation Crypto. Die Schweiz im Dienst von CIA und BND
Fussnoten
(1) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Crypto-Villiger-gibt-zu-Spionageskandal-gewusst-zu-haben
(2) https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/NSA-BND
(3) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Nebelpetarden-gegen-Wahrheitssuche
(4) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Crypto-Schweiz-Neutralitat-Geschichte
(5) https://www.infosperber.ch/Artikel/Politik/Crypto-AG-Schweiz-unter-einer-Decke-mit-dem-CIA