Am 27. Februar 2023 fand die Abschiedsfeier in Zürich statt. Verschiedene Menschen, die Ueli nahe standen, haben über Ueli und ihre persönlichen Erlebnisse mit ihm erzählt. Gerne möchte wir mit Ihnen den Text teilen, den Jonathan Sisson, langjähriger Freund von Ueli und Weggefährte bei IFOR-MIR vorgetragen hat:
“Ueli Wildberger”.
So meldete er sich zum Wort am Telefon. War er nicht da, dann hörte man seine Stimme auf dem Beantworter und zwar in drei Sprachen: Deutsch, Englisch und Spanisch. Es könnte ja einen Anruf aus dem IFOR-Netzwerk geben oder gar einen Alarmruf von PBI aus Guatemala oder Honduras. Eine “Urgent Action” als Reaktion auf Verhaftungen in Südafrika oder eine Anfrage zur Vorbereitung einer gewaltfreien Aktion gegen das Bankgeheimnis. Alle, die Ueli kannten, wussten davon und viele nahmen sein Engagement in Anspruch. Ein Engagement, das auf seine Zeit als Theologie-Student in den 60’er Jahren zurückging und das sich in unzähligen gewaltfreien Trainings, Standaktionen und Kampagnen ununterbrochen fortsetzte. Unterbrochen war es dennoch. Vor anderthalb Jahren erlitt er einen ersten Schlaganfall, der eine Folge seiner Krebserkrankung war. Der zweite Anfall folgte letzten Herbst. Ein dritter im Januar.
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Den ganzen Text von Jonathan können Sie hier herunterladen:
Ausserdem möchten mit Ihnen ein paar persönliche Gedanken teilen. Sie finden auch den Text von Ueli, den er 2021 anlässlich seines Rücktritts als Präsident von IFOR-MIR geschrieben hat.
Ueli Wildberger
Ueli Wildbergers Engagement für die Sache des Friedens geht bereits auf seine Zeit als Pfarrer in der reformierten Kirche des Kantons Zürich zurück. Schon damals konnte er gegen den Bau von Atomkraftwerken, für eine Schweiz ohne Armee, für die Einführung eines Zivildienstes, etc. demonstrieren. Er stellte sich in den Dienst dieser verschiedenen Themen, nicht nur als Theologe, sondern auch auf sehr praktische Weise, vor Ort, mit den Demonstranten und im Umgang mit den Ordnungskräften …
Ueli Wildberger wurde schon früh Mitglied von IFOR – MIR Schweiz und präsidierte den deutschsprachigen Vorstand. Als dann die beiden Sprachkomitees fusionierten, übernahm er das zweisprachige Präsidium. Seine Französisch- und Deutschkenntnisse ermöglichten es ihm, die Beziehungen aus diesen beiden oft getrennten Welten aufrechtzuerhalten.
Trotz seines fortgeschrittenen Alters behielt Ueli seine geistige Wachheit, seine Neugier und seinen ausgeprägten Sinn für die Reflexion über aktuelle Themen: Globalisierungskritik, globale Erwärmung, die Verteilung des Reichtums zwischen Nord und Süd, die Ausbeutung von Menschen und globalen Ressourcen durch skrupellose Großunternehmen – Ueli war besorgt über alle Themen, die in irgendeiner Weise die Themen Frieden oder Ungerechtigkeit berührten.
IFOR – MIR ist sehr dankbar für all die Beziehungen, die er über die Jahre hinweg aufgebaut und aufrechterhalten hat und die heute den Reichtum seines Netzwerks ausmachen.
Wir sprechen seiner Frau France und der gesamten Familie Wildberger unser tief empfundenes Beileid aus.
Luc Nirina Ramoni, Co-Präsident IFOR – MIR Schweiz
Mit Ueli habe ich mich regelmässig zu Sitzungen in der Markthalle in Basel getroffen. In Marathon Sitzungen besprachen wir alles, was sich jeweils in den vergangenen 1-2 Monaten angesammelt hatte und wir nicht per Mail/Telefon besprechen konnten. Zwischen drin tranken wir Kaffee und luden uns abwechselnd zu Kuchen ein. Ich vermisse diesen intensiven Austausch. Ich bin dankbar für die Zeit mit Ueli. Ich habe viel von ihm gelernt. Sein Engagement, seine Überzeugung, dass wir etwas verändern können und sein Optimismus haben mich motiviert.
Bei Ueli hatte der Frieden nie Feierabend, sondern war ganz selbstverständlich in den Alltag eingewoben. Ich denke, das haben die Menschen, die mit ihm zu tun hatten, gespürt. Ueli verwendete eher den Begriff Aktive Gewaltfreiheit an Stelle von Frieden und auch die Zivilcourage war ihm sehr wichtig. Jetzt war ich wieder in der Markhalle, dort wo wir früher sassen und über Frieden diskutierten. Ein paar Tische weiter, sassen ein paar Menschen zusammen und machten Musik. Das war wunderschön und hätte auch Ueli gefallen.
Charlotte Bhattarai, Sekretariat und Friedensbildung IFOR-MIR Schweiz
Artikel veröffentlicht in der Nonviolenz Dezember 2021:
Meine IFOR-Mission
Frieden – In weiten Teilen der Erde leiden Arme und Benachteiligte unter Hass, Diskriminierung und Krieg und müssen um ihr Leben fürchten. Gewalt in ihren vielfältigen Formen durchtränkt unsere Kultur und prägt uns von Kindesbeinen an. Die Völker halten militärische Abschreckung für unabdingbar, aus Angst, überrollt zu werden. Wenn aber ein Teil der Menschen leidet, leiden alle. Das Reich Gottes des Friedens und der Gerechtigkeit gilt allen und zwar schon hier und jetzt! Diese Mission hat mich die letzten 50 Jahre beflügelt. Früh schon wurde mir klar, dass Friede nur auf dem Weg der radikalen Gewaltfreiheit erreicht werden kann.
Menschen lernen durch neue Erfahrungen: Gewaltfreie Aktion fordert die ganze Person. Im gewaltfreien Handeln exponieren sie sich öffentlich, mit Körper und Seele, mit ihren Wünschen, Hoffnungen und Befürchtungen. Dabei können sie die Erfahrung machen, dass physische Schwäche durch seelische Stärke aufgewogen wird, dass bewusstes Leiden Herzen öffnen kann, dass vermeintliches Scheitern Erfolg bedeutet, solange wir unseren Überzeugungen und Werten treu bleiben. Aus dieser Einsicht heraus bemühte ich mich im IFOR, in aktuellen sozialen Konflikten für möglichst viele Mitmenschen in konkreten Aktionen und Kampagnen die Stärke der Gewaltfreiheit erlebbar zu machen. Sei es in der Besetzung des AKWs Kaiseraugst, sei es mit Friedenseinsätzen von Peace Brigades International, sei es in Flüchtlingsprojekten oder mit Protestmärschen, zum Beispiel dem MenschenStrom gegen Atom. Jede dieser gewaltfreien Aktionen erlebte ich als soziales Kunst- werk: von der Suche nach einer möglichst originellen Aktionsform über die gemeinsame Trainings-Vorbereitung der Aktionsgruppe mit Rollenspielen bis zur Durchführung mit ihren emotionalen Hochs und Tiefs. Learning by doing – immer wieder prägend für das Leben. Beglückend ist für mich, dass in jüngster Zeit eine junge Klimastreik-Bewegung entstand, die sich ohne unser Zutun klar zu einem gewaltfreien Vorgehen verpflichtet und sich auf überzeugende Art in Zivilem Ungehorsam übt. Die jahrzehntelange Saat scheint langsam aufzugehen…
und Demission
Diesen Sommer erlitt ich eine Lungenembolie und einen Hirnschlag, beides wohl ausgelöst von einer Krebserkrankung. Deshalb muss ich mich vom Amt als Präsident des IFOR-CH und vom Vorstand leider zurückziehen. Es geht mir aber erstaunlich gut; die rechte Hand funktioniert schon recht gut und ich bin schmerzfrei. Nach wie vor bin ich dem IFOR verbunden und hoffe auch künftig am einen oder andern Ort noch etwas zum Frieden beitragen zu können.
Ueli Wildberger