Schweiz: Engagement für Frieden und Geschäfte des Grauens

Die zwei Gesichter der Schweiz: Einsatz für Frieden, Menschenrechte und Sicherheit in der Welt. Auf der anderen Seite: Kriegsmaterialexporte, Finanzierung von Waffengeschäften und Milliardeninvestitionen in Rüstungskonzerne und skrupellose Geschäfte von Firmen mit Sitz in der Schweiz.

Frieden in der Ukraine: Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga reist in die Ukraine

Die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga wird voraussichtlich im Juli dieses Jahres in die Ukraine reisen. Die Schweiz spiele dort eine wichtige Rolle, sagte sie in einem Interview im Radio SRF1. Die Schweiz sei sehr aktiv wo sie in Konfliktsituationen zur Versöhnung beitragen könne. (1) Zu hoffen ist, dass es mit Schweizer Hilfe gelingt den Krieg in Ukraine der seit Februar 2014 im Gange ist zu beenden.

Die Guten Dienste der Schweiz haben eine lange Tradition und spielen eine Schlüsselrolle in der schweizerischen Friedenspolitik. Die Schweiz kann Brücken bauen, wo andere blo­ckiert sind, weil sie keinem der Machtzentren angehört und keine versteckte Agenda ver­folgt.

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga

Anheizung von Konflikten: Kriegsmaterialexporte im 1. Quartal 2020

vom 1. Januar bis 31. März 2020                     CHF     123’291’653

Im 1. Quartal 2020 wurden von der Schweiz 3,2-mal mehr Kriegsmaterial expor­tiert als im 1. Quartal 2019 oder 220 Prozent mehr. Die Gruppe der Schweiz ohne Armee, die GSoA, nannte dies «Zahlen des Grauens».

Im vergangenen Jahr, 2019, wurden für 728 Millionen Franken Kriegsmaterial exportiert. Das waren schon 43 Prozent mehr als im Vor­jahr, als 2018. Schon 2018 stiegen die Kriegsmaterial­exporte zum Jahr 2017 um 14 Prozent. (2)


Die Empfänger dieser Rüstungsgüter waren in diesem ersten Quartal des Jahres 2020 zum grössten Teil wieder Nato-Staaten wie die USA, Frankreich, Grossbritannien, Deutschland usw. die in Kriege verwickelt waren und noch sind. Wie in früheren Jahren erhielten auch Regimes, die die Menschen­rechte mit den Füssen treten Kriegsmaterial aus der Schweiz, Indonesien, die USA und auch Länder, in denen viele Menschen im Elend leben. Die Kriegsmaterialverordnung und das Kriegsmaterialgesetz wurde mit diesen Exporten wiederum krass verletzt, denn es wäre seit 1973 verboten Waffen in ein Land zu exportieren «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist», «das Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt» und die Gefahr besteht das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. (3)

Aufweichung der Kriegsmaterialverordnung zugunsten der so genannten, «Bedürfnisse der Landesverteidigung»

Diese klare Bestimmung Staaten die in einen «internen oder internationalen bewaffneten Konflikt ver­wickelt sind kein Kriegsmaterial zu liefern» wurde jedoch aufgeweicht, um quasi legal kriegführenden Staaten endlich Waffen zu liefern. Schon vorher wurden Nato-Staaten und Regimes im Nahen Osten, die in Kriege verwickelt waren, Rüstungsgüter verkauft. Am 15. Juni 2018 wurde die «Kriegsmaterial­verordnung angepasst», um wie es hiess, «eine an die Bedürfnisse der Landesverteidigung ange­passte industrielle Kapazität auch in Zukunft sicherzustellen». «Deshalb soll es in Zukunft möglich sein, unter gewissen Umständen Kriegsmaterialausfuhren nach Ländern, die in einen internen bewaff­neten Konflikt verwickelt sind, zu bewilligen. Die Lieferung von Kriegsmaterial an Endbestimmungslän­der, welche in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, soll jedoch weiterhin grundsätzlich abgelehnt werden. Im Einzelfall soll neu eine Ausfuhrbewilligung erteilt werden können, wenn kein Grund zur Annahme besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial im internen bewaffneten Konflikt eingesetzt wird.» (4)

Zu bemerken dazu ist: Diese «Anpassung» der Kriegsmaterialverordnung nützt hauptsächlich dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall, (Air Defence), dem US-Konzern General Dynamics (Mowag Panzerwagen) und den bundeseigenen Rüstungsbetrieben Ruag. All die Firmen die sogenannte Kleinbestandteile an ausländische Rüstungsproduzenten lieferten hatten schon vorher freie Hand, auch wenn diese Bestandteile dann in Waffen eingebaut wurden, die in Kriegen zum Einsatz kamen.

Finanzierung von verbotenen Waffen, von Atombomben, Streubomben und Antipersonenminen

In den Zahlen der Kriegsmaterialexporte des ersten Quartals 2020 sind die besonderen mili­tärischen Güter nicht enthalten, auch nicht die Investitionen in Rüstungskonzerne der Schwei­zerischen Nationalbank, von Banken, Versi­cherungen und Pensionskassen. Diese Institu­tionen investieren zum Teil sogar in Unterneh­men, die an der Produktion von verbotenen Waffen beteiligt sind, wie Atombomben, Streu­bomben und Antipersonenminen. (5) (6) (7) Obwohl die Schweiz den Atomwaffensperrver­trag, die Ottawa und die Oslo-Konvention ratifi­ziert hatte. (Abkommen zu Atomwaffen, Streu­bomben und Antipersonenminen)

Laut ICAN der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomaffen investierte die Schweizerische Nationalbank, die UBS, die Credit Suisse und andere Institutionen 2018  8,984 Milliarden Dollar in Unternehmen, die an der Produktion von Atomwaffen beteiligt sind.

Dabei ist die direkte und indirekte Finanzierung der Entwicklung, der Herstellung oder des Erwerbs von verbotenem Kriegsmaterial verbo­ten, und das sind auch Atomwaffen, Streubom­ben und Antipersonenminen, laut dem Bundes­gesetz über das Kriegsmaterial, 2. Kapitel: Verbotenes Kriegsmaterial (8)

Henri Rousseau: Krieg 1894 (Bild Wikipedia)

748 Milliarden US-Dollar für Firmen die Atomwaffen herstellen und Brosamen für die UNO und das Welternährungsprogramm

ICAN die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomaffen dokumentierte, das weltweit insgesamt 748 Milliarden US-Dollar in Top-Atomwaffenhersteller investiert wird.

Bei der Untersuchung der grossen Unternehmen der Nuklearwaffenindustrie hat ICAN festgestellt, dass 325 Finanzinstitute zwischen Januar 2017 und Januar 2019 über 748 Milliarden USD in diese Unternehmen investiert haben. Dies spiegelt die Investitionen in die Top-18-Nuklearwaffenhersteller wider und ist eine Momentaufnahme.

Explosion von 100 Atombomben: Nuklearer Winter gefolgt von Hungersnöten

Zu Beginn des Jahres 2020 haben sich die knapp 13 400 weltweit vorhandenen Atomwaffen auf neun Staaten verteilt. Die beiden militärischen Supermächte, Russland und die USA, verfügen dabei über die mit Abstand grössten nuklearen Arsenale mit jeweils rund 6 000 Atomsprengköpfen.

Schon die Detonation von weniger als 0,03 Prozent des momentan weltweit vorhandenen Kernwaffenarsenals würde die Menschheit schwer treffen. Selbst ein regional beschränkter Atomkrieg zwischen Indien und Pakistan, bei dem maximal 100 Atombomben gezündet würden, hätte eine globale Hungerkrise zur Folge. Wenn Atombomben gezündet werden, reissen die Detonationswellen nicht nur grosse Mengen an Staub und Asche in die Atmosphäre, die freigesetzte Wärmeenergie entfacht auch riesige Flächenbrände. Diese produzierten im Fall der Simulation etwa fünf Millionen Tonnen Ruß, die relativ plötzlich in die Atmosphäre gelangten  Es entwickelt sich ein nuklearer Winter.

Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe 1945, Nie wieder!

Am 6. August ist es 75 Jahre her, als eine Atombombe namens Little Boy Hiroshima zer­störte. Mindestens 210’000 Menschen starben, die meisten davon Zivilisten. Überlebende und ihre Kinder erleben auch heute noch die gesundheitlichen und sozialen Folgen. ICAN fordert alle Finanzinstitute auf, gemeinsam mit ihnen an die humanitäre Katastrophe von Hiroshima und Nagasaki zu erinnern und die vollständige Beseitigung aller Atomwaffen zu fordern.

Einsatz für Frieden, Achtung der Menschenrechte, Schutz von Vertriebenen und Flüchtlingen

Didier Burkhalter ehemaliger Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA:

«Gemäss Bundesverfassung hat die Aussenpolitik die Interessen der Schweiz zu wahren und ihre Werte zu fördern. Dies umfasst auch den Einsatz für Frieden, Achtung der Menschenrechte und den Schutz von Vertriebenen und Flüchtlingen. Mit diesem Engagement handelt die Schweiz nicht zuletzt in ihrem eigenen Interesse. Konflikte und Unruhen können sich rasch auf die ganze Welt und damit auch auf unser Land auswirken. Dies haben etwa die Balkankriege gezeigt.»

2006 Friedensabkommen in Nepal, auch durch ein Engagement der Schweiz

Im langen Weg zum Frieden in Nepal wurde 2006 in Katmandu ein umfassendes Friedensabkommen unterzeichnet, das den zehn Jahre währenden Bürgerkrieg in Nepal mit über 16‘000 Todesopfern beendete. Das langfristige Engagement der Schweiz für Frieden, Menschenrechte und Entwicklungs­zusammenarbeit hat massgeblich dazu beigetragen und es geht weiter. Auf dem Weg zu einem nach­haltigen Frieden in Nepal sind noch zahlreiche Hürden zu überwinden. (9)

Tim Guldimann vermittelte 1996 den Waffenstillstand in Tschetschenien

Als Leiter der OSZE-Mission in Tschetsche­nien vermittelte Til Guldimann 1996 den Waf­fenstillstand und organisierte dort die ersten freien Wahlen. (OSZE: Organisation für Sicher­heit und Zusammenarbeit in Europa) Danach baute er als Missionschef in Kroatien eine grosse OSZE-Mission auf.

Von 1999-2004 vertrat Guldimann als Schweizerischer Botschafter in Iran dort auch die amerikani­schen Interessen. Danach lehrte er an der Universität Frankfurt über die Beziehungen zur islamischen Welt. 2007/8 leitete er als Stellvertretender Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs die OSZE-Mission im Kosovo. Danach organisierte er im Zentrum für Humanitären Dialog, einer Stiftung für poli­tische Vermittlung in Genf, Gespräche zwischen Moslembrüdern und westlichen Regierungsvertretern. Von 2010-15 war er schweizerischer Botschafter in Berlin und unterstützte 2014 als Ukrainebeauftrag­ter die Friedensbemühungen des schweizerischen OSZE-Vorsitzes. (10)

Skrupellose Geschäfte von Firmen mit Sitz in der Schweiz

Glencore mit Sitz in der Schweiz, Vergiftet in Peru Menschen, vorläufig ungestraft…

In Cerro de Pasco (Peru) sind Luft und Wasser mit Schwermetallen vergiftet. Daran schuld: Eine riesige Mine, die von Glencore kontrolliert wird. Gerade für die Kinder haben die Bleiver­giftungen dramatische Folgen: Blutarmut, Behinderungen, Lähmungen. 70’000 Men­schen leben in der peruani­schen Stadt Cerro de Pasco. Glencore kontrolliert hier die Minen­gesellschaft Volcan, welche zu den weltweit grössten Produzentinnen von Zink, Blei und Silber gehört. (11)

Bild: Konzern-Verantwortungs-Initiative

Syngenta mit Sitz in der Schweiz vergiftet Landarbeiter in Indien, vorläufig ungestraft…

Im zentralindischen Yavatmal wurden innert weniger Wochen etwa 800 Landarbeiter schwer vergiftet, als sie auf Baumwollfeldern Pestizide ausgebracht haben. Über zwanzig Menschen sind gestorben. Das dafür mitver­antwortliche Insektizid «Polo» wurde von Syngenta exportiert. Es ist hierzulande in der Schweiz längst nicht mehr zugelassen.

Die Recherche von Public Eye zu der Vergiftungswelle in Indien. (12)

Bild: Public Eye zu der Vergiftungswelle in Indien

Die Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative wird am 29. November 2020 stattfinden, da ein griffiger Gegenvorschlag des Nationalrates, welcher zum Rückzug der Initiative geführt hätte im Parlament keine Mehrheit fand. Die Konzernlobby hat sich im Parlament einmal mehr durchgesetzt: Klare Regeln für Konzerne, die Menschenrechte verletzen, wurden abgelehnt und das Parlament hat sogar einen Alibi-Gegenvorschlag verabschiedet, um der Bevölkerung im Abstim­mungskampf vorzugaukeln, dass die Politik etwas gegen die Machenschaften von Glencore & Konsor­ten tut, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Konzerne wie Glencore, Syngenta, Nestlé, wollen in Zukunft nicht für angerichtete Schäden geradestehen, sondern bloss einmal im Jahr als Alibi eine Hochglanzbroschüre veröffentlichen.

Das fordert die Konzernverantwortungsinitiative

Die Initiative will Konzerne mit Sitz in der Schweiz verpflichten, die Menschenrechte nicht zu verletzen und die Umwelt nicht zu zer­stören. Damit sich alle Konzerne an das neue Gesetz halten, sollen Verstösse in Zukunft Kon­sequenzen haben. Konzerne sollen des­halb für Menschenrechtsverletzungen gerade­stehen, welche ihre Tochterfirmen verursa­chen. Der Co-Präsident des Initiativkomitees, der frühere freisinnige Tessiner Ständerat Dick Marty, ist zuversichtlich: «Unsere Initiative for­dert eine Selbstverständlichkeit. Wenn Kon­zerne das Trinkwasser vergiften oder ganze Landstriche zerstören, sollen sie dafür gerade­stehen.»

Fussnoten

(1) https://www.srf.ch/sendungen/tagesgespraech/simonetta-sommaruga-krisenmanagerin-im-praesidialjahr

(2) https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Aussenwirtschaftspolitik_Wirtschaftliche_Zusammenarbeit/Wirtschaftsbeziehungen/exportkontrollen-und-sanktionen/ruestungskontrolle-und-ruestungskontrollpolitik–bwrp-/zahlen-und-statistiken0/2020.html

(3) Verordnung über das Kriegsmaterial:

https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19980112/index.html

(4) Kriegsmaterialverordnung wird angepasst:  https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen/bundesrat.msg-id-71161.html

(5) ICAN Switzerland: https://www.icanswitzerland.ch/de/

(6) Swiss Financial Institutions Banking On The Bomb – 2019 https://public.tableau.com/profile/ican.switzerland#!/vizhome/DontBankOnTheBomb-CH2019/SwissFinancialInstitutionsBankingOnTheBomb-2019

(7) https://www.nzz.ch/finanzen/initiative-von-schweizer-pensionskassen-ruestungskonzerne-auf-schwarzer-liste-ld.150507

(8) Bundesgesetz über das Kriegsmaterial, Verbotenes Kriegsmaterial https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19960753/index.html

(9) https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/aussenpolitik/menschenrechte-menschliche-sicherheit/frieden/die-guten-dienstederschweiz.html

(10) https://www.timguldimann.ch/biographie.html

(11) https://konzern-initiative.ch/skandal/mine-vergiftet-kinder/ (12) www.giftexporte.publiceye.ch

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