Ein Aufruf von Brigitte Nyffenegger
So wie Menschen die Rechte anderer Menschen missachten, missachten auch Staaten die Autonomie anderer Staaten. Wir wünschen im Alltag Respekt und Wertschätzung von Mensch zu Mensch, der Respekt zwischen Staaten ist jedoch kaum ein Thema. Respektvolles Verhalten zwischen Staaten fördert den Frieden nachhaltig. Respektlosigkeit und damit politisch einhergehend ausschliessliches Verfolgen von wirtschaftlichen Eigeninteressen oder Machtstreben führen zur Verletzung der Integrität von Staaten und zu Krieg. Ich denke, dies sollte sich ändern. Aus diesem Grund suche ich Leute, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen wollen oder sich dazu anderswertig engagieren möchten.
Es würde mich sehr freuen, wenn Interessierte, die gerne am Aufbau einer entsprechenden Arbeitsgruppe mitwirken würden, sich bei mir melden. Jedes Mail oder Gespräch in diese Richtung freut mich!
Brigitte Nyffenegger
brigitte.nyffenegger@gmx.net
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Polarisierung, fehlende Information und Diskussionsbereitschaft
In den Medien wird bei uns übergriffiges Verhalten von Staaten über andere Staaten, wenn dies beispielsweise durch Russland oder durch China erfolgt, getadelt. Das gleiche Verhalten eines westlichen Staates wird häufig als Rettung, Verteidigung der Demokratie, als tolerierbares Fehlverhalten kommuniziert oder nicht thematisiert und dabei nicht wahrgenommen. Der Krieg in der Ukraine ist ein aktuelles Beispiel dazu: der böse Putin, Sanktionen und Waffenlieferungen sind notwendig, der Westen gibt sich offen und hilfsbereit. Oder: die egoistische NATO, die USA als Feindbild. Die Meinungen sind gefestigt. Es gibt wenig Raum für eine differenzierte Betrachtung der Entstehung des Krieges, seiner Folgen und dessen Beendigung.
Versuche, zum Ukrainekrieg eine eigene Position einzunehmen, waren unerwünscht. Die Äusserungen von Bundesrat Alain Berset vom vergangenen März zur Friedensverhandlung zwischen der Ukraine und Russland wurde vom amerikanischen Botschafter in der Schweiz schnell und deutlich verurteilt. Elon Musk’s Äusserungen vom vergangenen Herbst zur Friedensverhandlung und demokratischen Abstimmungen in den besetzten Gebieten der Ukraine provozierte ebenso heftige Abwehrreaktionen seitens der USA. Friedensförderung ist nicht erwünscht. Die Vermutung könnte aufkommen, dass Krieg in der Ukraine auch der USA nützlich zu sein scheint. Bei uns findet kaum eine offene Diskussion statt, ob der Krieg auch uns dient und uns vor Putin schützt oder wie der Krieg nun in der Ukraine beendet werden könnte. Die Beweggründe der verschiedenen beteiligten Parteien wurden nicht offen kommuniziert. Es erscheint mir unklar, wer alles aus welchen Gründen am aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine profitiert.
Die Verletzung der Integrität sowie der Krieg haben denselben Ursprung: mehr Macht, Eigennutz, fehlender Respekt und mangelnde Wertschätzung. Viel Abneigung gegenüber dem Westen, beispielsweise bei Menschen im Nahen Osten, lässt sich auch auf Handlungen des Westens wie beispielsweise den Irakkrieg zurückführen. Dieser war Ursache an Destabilisierung und Elend in den betroffenen Regionen. In der UN-Charta wurde das Ziel einer «freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung… der Völker beruhende Beziehung zwischen den Nationen» (Artikel 1, Absatz 2) formuliert. Leben wir diesem Grundsatz nach!
Eine sich verändernde Weltordnung übt sich in Einflussnahme
In der vergangenen Zeit hat die Öffentlichkeit im Westen erfahren, dass russische Medien auch im Westen Falschnachrichten verbreiten, Russland Cyberattacken gegen die Regierungscomputer der Nato-Mitglieder oder chinesische Institute an westlichen Universitäten Propaganda zugunsten von China betreiben. Oder die USA nahm Einfluss auf die politische Entwicklung im Vorfeld des Euromaidans 2014. Diese Tätigkeiten verfolgen das Ziel, den Einfluss des eigenen Staates zu vergrössern. Diesem Verhalten können Ansprüche nach mehr Macht, Energiehunger und wirtschaftliche Interessen zu Grunde liegen. Dabei kann in der Regel fehlender Respekt und mangelnde Wertschätzung des Gegenübers und seiner langfristigen Bedürfnisse beobachtet werden. Ausdehnung des Kontrollbereichs über andere und ungleiche Verträge können die Folge sein.
Neue Techniken schaffen neue Möglichkeiten zur Verletzung der Integrität
Die Integrität von Staaten wird darüber hinaus heute häufig durch neue Techniken zur politischen Einflussnahme verletzt: Beeinflussung der Meinungsbildung bei innenpolitischen Angelegenheiten von anderen Ländern, Beeinflussung von Wahlen oder Unterstützung von politischen Gruppierungen in anderen Staaten. Auch können die neuen technischen Möglichkeiten – die Aufrüstung ist zurzeit nicht nur bei den Waffen, sondern auch bei den Schlüsseltechnologien zu beobachten – über andere Staaten Macht verschaffen. Ebenso scheint mir der Landkauf und der Kauf von Firmen in anderen Ländern kritisch, da Staaten abhängig und erpressbar werden können. Auch sind Hackerangriffe auf staatliche Verwaltungen oder kritische Infrastrukturen eine Verletzung der Integrität von Staaten. Die aktuelle geopolitische Lage sowie der technologische Fortschritt haben uns in die Situation gebracht, dem kriegerischen Treiben viele neue und wirksame Möglichkeiten geschaffen zu haben. Diese werden leider auch rege genutzt. Dazu werden hohe zeitliche und finanzielle Mittel aufgewendet und es werden dazu viele Ressourcen verbraucht, die geschont werden könnten, gäbe es diese Bestrebungen zur Verletzung der Integrität mit den neuen Techniken nicht. Wir als einzelne, als Gruppen und als Weltengemeinschaft sollten dazu Stellung beziehen und nach Lösungen zur Eindämmung dieser Übergriffe suchen. Dazu soll ein respektvoller Umgang zwischen den Ländern und Völkern diskutiert und die staatliche Integrität in all ihren Aspekten benannt werden.
Wenig Friedensförderung bei der UNO
Die Gewährleistung der Integrität von Staaten fristet bei der UNO zurzeit ein Schattendasein. Eine Erwähnung ist in der UN-Charta Artikel 1, Absatz 2 zu finden: Ziel der UNO ist die «freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln.» In der Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen sagt zudem, dass «kein Staat und keine Staatengruppe das Recht hat, unmittelbar oder mittelbar, gleichviel aus welchem Grund, in die inneren oder äusseren Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen.» Die Uno verurteilt zudem regelmässig in Resolutionen Staaten, die gegen Grundsätze verstossen. Die Grenzen des völkerrechtswidrigen Handelns sind aus meiner Sicht nicht ausreichend diskutiert und kaum bewusst.
Viel Engagement – wenig Wirkung bei NGOs
Die Friedensbemühungen diverser Nichtregierungsorganisationen sind, soweit ich diese beobachten kann, immer noch Tropfen auf den heissen Stein. Auch wenn viele Menschen den Frieden als erstrebenswert betrachten, ist der Wertschätzung des Friedens nicht in der Gesellschaft und in der Politik verankert. Anders ist es zumindest mit anderen Bestrebungen von NGOs: Biodiversität, Gleichstellung von Mann und Frau, Naturschutz, Menschenrechte und einiges mehr geniessen zumindest im Westen eine breite Unterstützung. In der Gesellschaft und Politik sind diese Bestrebungen und Werte verankert, wenn auch nicht selbstverständlich gültig. Es erschliesst sich mir nicht, weshalb es mit dem Frieden nicht so ist. Frieden ist ein grundlegendes Gut für Zufriedenheit und Wohlbefinden der Menschen. Basierend auf ihm können Menschenrechte, Naturschutz, Gleichstellung, die Biodiversitätsförderung und vieles mehr gelebt werden.
Faktenbasierter von Respekt getragener Journalismus stärken? Das Thema der nationalen Integrität in der Öffentlichkeit lancieren und verankern?
Haltungen und Interessen prägen die Handlung von Nationen und die Berichterstattung. Weshalb kann häufig nichts von diesen Hintergründen gehört oder gelesen werden? Warum hört man dem Gegenüber nicht zu und gibt einfach mit Wiederholung und Nachdruck die eigene Sichtweise wieder? Gerne würde ich eine Kommunikation in der Öffentlichkeit etablieren, die diesen Dualismus auch in kurzen Artikeln hinter sich lässt, transparent argumentiert und das Gegenüber respektiert.
Es erscheint mir notwendig, dass der Journalismus stärker für das Thema der nationalen Integrität sensibilisiert wird. Die offiziellen Verlautbarungen von Staaten sollten mit deren Eigeninteressen verknüpft werden. Auch sollte aufgehört werden, über potenziell gegnerische Staaten, vorwiegend negative Berichterstattungen durchzuführen. Deren Argumentation für seine Handlungen sollten ernst genommen, ohne dass sie schöngeredet werden. Auch hier erscheint mir einen möglichst sachlichen und faktenbasierten Blick auf die Motive der Verlautbarungen der gegnerischen Staaten notwendig. Die eigene Position und deren Folgen könnte dadurch geschärft wahrgenommen werden. Russlands Standpunkte zum Anlass des laufenden Kriegs in der Ukraine wurde beispielsweise bei uns nur am Rande wahrgenommen. Eine kritische Reflexion zum Anlass des Krieges fand kaum statt.
Ich würde es begrüssen, wenn der Umgang zwischen den Völkern und Staaten in der Bevölkerung thematisiert, ein dazugehöriges Wertesystem vorhanden und dies für alle nachvollziehbar und einsehbar wäre. Ich wünschte mir, das im Westen weg von platten Feindbildern ehrlich kommuniziert würde. Die Eigeninteressen sowie die Interessen der anderen sollten offen dargelegt werden. Dadurch könnte die Bevölkerung Verantwortung übernehmen und die Staaten einen Weg beschreiten lassen, der bewusst und von der Mehrheit der Bevölkerung getragen würde.
Eine UN-Konvention zur nationalen Integrität?
Ich wünschte mir eine UN-Konvention zur Respektierung der innenpolitischen Integrität von Staaten, welche sich klar gegen die politische Einflussnahme von anderen Staaten ausspricht. Eine Lancierung einer UN-Konvention zum respektvollen Umgang zwischen Ländern und zur Integrität der Staaten könnte heut wichtige Diskussionen dazu innerhalb der UNO und weltweit auslösen. Durch die Unterzeichnung oder auch Nicht-Unterzeichnung der Konvention durch Länder würde für alle ersichtlich, welchen Staaten ein respektvoller Umgang untereinander ein Anliegen ist und welchen nicht. Die Vertragsstaaten wären zur Berichterstattung verpflichtet und NGOs können die Staaten nach den Kriterien der UN-Konvention beobachten.
Die Schweiz wäre dazu prädestiniert, eine entsprechende UN-Konvention zu lancieren, da sie ein kleines und nicht auf Macht über andere Staaten ausgerichtetes Land ist und in der Tradition der Neutralität steht. Die Schweiz kann als kleineres Land den Schulterschluss zu anderen kleinen Staaten suchen und mit dieser grossen Mehrheit in der UNO eine entsprechende Konvention verabschieden. Eine griffig und umfassend formulierte UN-Konvention zur Integrität von Staaten könnte deeskalierend, die Weltengemeinschaft stabilisieren und friedensfördernd wirken.
Sachverhalte zur Integrität von Nationen verständlich mitteilen?
Ich würde mir eine Website wünschen, auf der die diesbezüglichen aktuellen Vergehen auf einer Weltkarte farblich und einfach verständlich dargestellt sind: Umso mehr Vergehen, um so röter wäre der Staat eingefärbt. Auch sind auf dieser Karte die Staaten markiert, die dies nicht tun oder sogar vermittelnd wirken. Man könnte dazu jährlich ein Ranking publizieren. Für die Bewertung bräuchte es nachvollziehbare Kriterien und Quellenangaben der Fakten. Mit diesem Vorgehen könnten komplexe Sachverhalte verständlich und nachvollziehbar für viele kommuniziert werden.
- Wir verändern – Eine neue und wirksame Gruppierung
Ich weiss, dass mit der nationalen Integrität ein sehr langfristiges und ressourcenintensives Thema angesprochen wird, welches viel Arbeit generiert und an dem schon einige arbeiten. Ich würde gerne mit anderen zusammen dem Thema Frieden und staatliche Integrität deutlich mehr Wahrnehmung in der Öffentlichkeit geben. Dies braucht Engagement, Können und Geld und auf lange Zeit wirksames Handeln. Aus diesem Grund suche ich Verbündete, Menschen, die dasselbe bewegt und Zeit dazu aufwenden möchten. Eine Arbeitsgruppe innerhalb des IFOR Schweiz ist angedacht. Es braucht Kenntnisse im Aufbau eines neuen Themenfeldes, des Fundraisings, Fachwissen und Erfahrung im Bereich der Kommunikation bei NGOs und bei Staaten, der Politikwissenschaften, des internationalen Rechts und der Friedensforschung.
Ich habe Erfahrung in der Organisation und Leitung von Betrieben und mache fachpolitische und ehrenamtliche Arbeit in Vereinen. Ich bin keine Fachperson des internationalen Rechts, der Politikwissenschaften, der Friedensforschung und weise auch keine Ausbildung im Management von Nichtregierungsorganisationen auf. Ich gehe auch davon aus, dass meine oben beschriebenen Beobachtungen durch entsprechende Fachleute korrigiert werden. Ich wünsche mir jedoch, wie so viele, eine bessere Welt und sehe hier ein wesentliches Handlungsfeld, bei welchem viel zum Positiven bewirkt werden könnte. Das ist alles.
Es würde mich sehr freuen, wenn Interessierte, die gerne am Aufbau einer entsprechenden Arbeitsgruppe mitwirken würden, sich bei mir melden. Jedes Mail oder Gespräch in diese Richtung freut mich!
Zürich, im November 2023
Brigitte Nyffenegger