Die Kirche, allen voran die katholische, hat sich über rund 1500 Jahre den Ruf eingehandelt, Kriegstreiber zu unterstützen und ihre Waffen zu segnen. Zwar hat sie mit vier grundsätzlichen Regeln zum gerechten Kriegs versucht, den Schaden in Grenzen zu halten, ähnlich wie das Gebot “Auge um Auge, Zahn um Zahn” es tun sollte. Das Resultat liegt auf der Hand: heutige Kriege sind ausser Rand un Band, der Ruf der Kirche und der Religion wenig erbaulich.
Doch heute kann die Frage nach dem friedenskirchlichen Charakter der katholischen Kirche wirklich gestellt werden. Seit langem tut sich vieles an der Basis der weltweit grössten Kirche. Die Erkenntnisse und das Engagement von der Basis scheinen unweigerlich ganz oben in der Hierarchie angekommen zu sein. Das ist wohl kein Zufall, denn der Papst Franziskus hat ein Herz sowohl für Gerechtigkeit wie auch für Gewaltfreiheit. Gewiss, auch das 2. vatikanische Konzil hatte bereits Impulse erhalten und vermittelt, zum Beispiel unter Thomas Merton und Jean Goss.
Von den Medien und der breiten Öffentlichkeit kaum bemerkt fand Mitte April in Rom eine historische Konferenz statt, welche gemeinsam vom päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden und Pax Christi einberufen worden war. Der päpstliche Rat ist sein langem auf der ökumenischen Ebene aktiv. So war er zum Beispiel auch an der ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt beteiligt. Doch die Lehre vom gerechten Krieg blieb bislang unversehrt. Das könnte sich nun ändern.
Die Konferenz, zu welcher 80 TeilnehmerInnen aus aller Welt eingeladen worden waren, hatte das Thema Gewaltfreiheit und gerechter Friede: Ein Beitrag zum katholischen Verständnis von und Verpflichtung zur Gewaltfreiheit.
Die Anwesenden riefen Papst Franziskus dazu auf, mit einen päpstlichen Brief eine Neuorientierung der katholische Lehre zur Gewalt in die Wege zu leiten.
Der Papst hatte die TeilnehmerInnen der Konferenz ermutigt: “Eure Überlegungen zur Stärkung der Werkzeuge zur Gewaltfreiheit, und der aktiven Gewaltfreiheit im Besonderen, wird notwendig und eine hilfreicher Beitrag sein.”
Das Schlussdokument der Konferenz, welches an den Papst geschickt wird, trägt den Titel “Ein Aufruf an die katholische Kirche, sich erneut der zentralen Bedeutung evangelischer Gewaltfreiheit zu verpflichten.”
Nun wissen wir, dass Konferenzen gut und schön sind, vor allem für die, welche sie besuchen und dort alte Bekannte und FreundInnen treffen. Die Nachhaltigkeit von Konferenzen ist eine andere Sache. Doch in diesem Fall ist Zuversicht angebracht, aus zwei Gründen: 1. Die zu dieser Konferenz eingeladenen Leute wissen, wovon sie reden und sie haben sich selber seit langem der Förderung der Gewaltfreiheit aufgrund des Evangeliums verschrieben. Sie gehen nicht nach Hause um sich dem Tagesgeschäft zuzuwenden – ausser dass ihr Tagesgeschäft eben das der Gewaltfreiheit ist. 2. Die Zeit ist reif für einen Wechsel des offiziellen Diskurses, und insbesondere des Katechismus der Kirche. An der Basis sind immer mehr engagierte Menschen am gewaltfreien Werk und drängen zu einer Neuorientierung in sozialethischer und politischer Hinsicht. Sie werden zunehmend offiziellen Rückhalt erhalten. Der Niederschlag solcher Neuorientierung wird sich über die Zeit nachhaltig auswirken, nicht zuletzt durch katechetische und liturgische Änderungen.
Freuen können wir uns aber auch darüber, dass in der Zukunft vermehrt statt Waffen und Kriegshandlungen gewaltfreie Aktionen gesegnet werden. Staaten und nicht-staatliche Akteure werden in Zukunft weniger mit kirchlicher Rückendeckung rechnen können für ihre kriegerischen oder kriegsvorbereitenden Projekte. Sollte der Vatikan dem Aufruf der Konferenz Gehör schenken – und damit ist zu rechnen, zumindest schrittweise – dann kann unsere Eingangs gestellte Frage getrost mit Ja beantwortet werden. Somit ist die grösste Kirche der Welt auf dem besten Weg, Friedenskirche werden. Ich kann’s nicht unterlassen, hier anzufügen, dass derweil Reformierte sich darüber den Kopf zerbrechen, was nach 500 Jahren die Reformation für sie bedeuten könnte und wie sie ihre Stellung halten können. Das scheint mir ein sehr europäisches Problem zu sein – abgesehen davon, dass es im Zeitalter der unaufhaltsamen Ökumene eitel und müssig erscheint -, welches wenig dazu beitragen wird, den gerechten Frieden zu fördern; ausser es fiele den Reformierten unterwegs ein, sich auch auf die zentrale Bedeutung biblischer Gewaltfreiheit zu besinnen.
Hansuli John Gerber, mit Information von Pace e Bene und Pax Christi.