Patientinnen und Hebammen im Banadir Hospital in Mogadischu. Grosse Müttersterblichkeit und Genitalverstümmelung in Somalia

Swisso Kalmo bietet unentgeltliche medizinische Betreuung in Somalia 

Swisso Kalmo, geleitet vom somalischen Arzt Dr. med. Abdi Hersi, ist eine der wenigen Organisationen in Somalia die Patienten in Mutter-Kind Zentren, in Ambulatorien, in Tuberkulosekliniken und Spitälern unentgeltlich behandelt. Swisso Kalmo ist aber finanziell abhängig von grossen Stiftungen, wie dem Global Fund gegen Aids, Tuberkulose und Malaria, von World Vision, von Uno Organisationen und zu einem kleinen Teil von Spendern in der Schweiz. Die Aufträge, die Swisso Kalmo von der UNO und anderen Organisationen zum Betreiben von medizinischen Einrichtungen erhält, sind zeitlich befristet. Nach Ablauf der Aufträge muss Swisso Kalmo jeweils versuchen neue Verträge auszuhandeln, was nicht immer möglich ist, da gerade UNO-Organisationen sparen müssen und Stiftungen auch nur beschränkte Mittel zur Verfügung haben. Diese Situation ist auch für die etwa 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Swisso Kalmo in Somalia schwierig, denn sie sind nur temporär angestellt, immer nur für Laufzeit der einzelnen Projekte.

Filmdokumentationen von Swisso Kalmo

Kurzer Youtube Film über die Tätigkeit von Swisso Kalmo in Somalia: https://www.youtube.com/watch?v=EFN0K4bOB6w&feature=youtu.be

„Die Linderung menschliches Leidens in Somalia durch Swisso Kalmo“

“Relieving emergencies an human suffering” (1)

Gespräche mit Patientinnen und Hebammen in der Geburtsklinik des Banadir Hospital in Mogadischu, Video Film von Swisso Kalmo. (Untertitel: englisch)

(2). https://drive.google.com/file/d/0B2u1bN-UkRZiaUg1TFBxc2tVRTQ/edit?pli=1 Ruth Dällenbach hat einige dieser Gespräche übersetzt.

Gespräche mit Patientinnen und Hebammen im Banadir Hospital in Mogadischu 

Seinab M. aus Mogadischu: 

„Während 24 Stunden versuchte ich zu gebären, doch das Baby wollte nicht kommen. Dann riefen wir eine Hebamme und sie sagte uns, dass das Kind tot sei. Danach wurde ich ins Spital Banadir gefahren und operiert. Mit einem Kaiserschnitt holten sie das tote Baby.“

Nimo M.I., 22 Jahre, aus Mogadischu:

„Einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lag ich am Gebären zuhause, doch es ging nicht vorwärts. Dann brachte man mich ins Spital Banadir, wo ich ein gesundes Kind zur Welt bringen konnte. Die Krankenschwestern und die Hebamme haben mich gut betreut und haben mir auch die notwendigen Medikamente gegeben.“

Asma H.M., 38 Jahre, lebt im Flüchtlingscamp Tabelakha: 

„Während vier Tagen versuchte ich zu gebären. Eine traditionelle Geburtshelferin war am Anfang dabei. Sie machte mir Mut und sagte, ich würde ein gesundes Kind zur Welt bringen. Am dritten Tag ging sie weg und danach wurde ich ins Spital gebracht. Das Baby war tot. Heute geht es mir gut und ich danke Allah, dass mich das medizinische Personal der Geburtshilfe so gut behandelt hat.“

Interviews mit zwei Krankenschwestern und Hebammen im Benadir Hospital

Ladan Abdellahi Ali: 

„Ich lebe in Mogadischu. An der hiesigen Universität wurde ich zur Krankenschwester und Hebamme ausgebildet. Für Swisso Kalmo arbeite ich seit Juni 2014 auf der postnatalen Station. Wir betreuen Patientinnen nach komplizierten Geburten oder nach Operationen. Die meisten bleiben etwa vier Tage bei uns. Die ersten drei Tage erhalten sie intensive Behandlung mit Medikamenten, oft Antibiotika. Einen vierten Tag beobachten wir sie und wenn es den Frauen gut geht, entlassen wir sie. Manchmal geben wir ihnen noch Medikamente mit. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit und die Frauen sind uns dankbar, wenn wir ihnen helfen können.“

Khadija Ahmed Mohamed, 32 Jahre, lebt heute in Mogadischu 

„Ich bin in Merka aufgewachsen und habe dort die Al-Rahman Primarschule besucht. Später habe ich mich zur Krankenschwester und Hebamme ausbilden lassen und erhielt den Bachelor von der Plasma Universität von Mogadischu. Ich arbeitete während einigen Jahren in verschiedenen Projekten, seit Juni 2014 arbeite ich für Swisso Kalmo. Unsere Patientinnen sind Frauen mit Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt. Viele somalische Frauen möchten lieber zuhause gebären und das ist einer der wichtigsten Gründe für die hohe Müttersterblichkeit. Die Frauen kommen oft erst, wenn es ihnen sehr schlecht geht, wenn Lebensgefahr besteht. Wir leisten dann erste Hilfe in der Notsituation und anschliessend intensive Betreuung. Ich rate allen somalischen Frauen: geht nicht zu einer traditionellen Geburtshelferin. Kommt zu einer ausgebildeten Hebamme. Kommt schon während der Schwangerschaft ins MCH (=Zentrum für Mütter und Kinder). Lass dich beraten und lass dir helfen. Den Familien rate ich: Bringt eure Frauen frühzeitig zu professioneller Betreuung.“

Grosse Müttersterblichkeit und Genitalverstümmelung 

Dass viele Mütter in Somalia bei einer Geburt sterben, hängt auch damit zusammen, dass auch heute noch 95 – 98 Prozent der Frauen in Somalia im Mädchenalter genital verstümmelt wurden, laut Dr. med. Abdi Hersi. Internationale und lokale Gruppen haben versucht diese Praktiken zu stoppen, aber sie sind in Somalia im Aberglauben und in der Tradition verwurzelt. Viele somalische Nichtregierungsorganisationen und Institutionen haben Aufklärungskampagnen gestartet, um diese schreckliche Tradition zu stoppen, die nichts mit der Religion zu haben.

Wer führt diese schrecklichen „Operationen“ durch? 

Ruth Dällenbach hat Dr. Hersi zu der Genitalverstümmelung einige Fragen gestellt: „Wer führt diese „Operationen“ durch? Was für einen Bildungsstand haben diese Frauen, was sind ihre Motive, machen sie es aus kulturellen Überzeugungen heraus oder aus ökonomischen Gründen?“

Dr. Hersi: „Die meisten Frauen die diese Praktiken ausüben haben keine Ausbildung, sie können meist weder lesen noch schreiben. Sie üben diese Tätigkeit nicht auf Grund von kulturellen oder religiösen Überzeugungen aus, sondern sie verdienen mit Beschneidungen einfach Geld.

Viele Gründe werden aufgeführt, die es rechtfertigen sollen, Mädchen zu beschneiden: Man glaubt durch die Beschneidung werde die sexuelle Lust der Frau reduziert, was helfen soll die Jungfräulichkeit vor der Ehe zu bewahren und später die Treue der Frau in der Ehe. Die traditionellen Geburtshelferinnen gehören auch zu der Gruppe von Frauen, die Beschneidungen fördern und oder selber durchführen. Trotz dem Wissen, dass die genitale Verstümmelung das Wohlbefinden eines Mädchens sehr stark beeinträchtigt, vor und nach der Heirat, werden diese Verstümmelungen vorgenommen, auf Grund von finanziellen Interessen.“

Die Folgen für die Frauen: Folter während dem ganzen Leben

Ruth Dällenbach: „Was sind die Folgen dieser Verstümmelung und was sind die Auswirkungen auf der gesellschaftlichen Ebene?“

Dr. Hersi: „Fast alle Mädchen die beschnitten werden, erleiden Schmerzen und haben nach der Operation Blutungen. Die Beschneidung selbst ist für das Kind traumatisch. Die Risiken und die Komplikationen sind abhängig von der Art der Beschneidung. Sie sind grösser bei der Operation mit Infibulation (Faronic Typ). (3), das heisst Entfernung der ganzen oder eines Teils der äusseren Genitalien mit anschliessender Verengung der Vaginalöffnung.

Die Schmerzen, die durch die Beschneidung verursacht werden, bleiben oft wie eine Folter während dem ganzen Leben einer Frau bestehen. Die Beschneidung hat einen verheerenden Einfluss auf die Gesundheit und das Leben von Mädchen und dies wiederum hat äusserst negative Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. Diese Verstümmelung der Geschlechtsteile führt auch zu einer erhöhten Sterblichkeitsrate der Frauen während der Geburt. Sie ist bei Frauen die Hauptursache für Entstehung von Fisteln, von eitrigen Entzündungen, welches heute ein nationales Problem in Somalia ist.

In Saudi-Arabien sind solche unmenschlichen Praktiken verboten

Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft ist die beste Option, damit diese schrecklichen Praktiken aufgegeben werden. Kampagnen und  Workshops können Mittel sein, um Menschen in allen Gesellschaftsschichten zu erreichen.

Die Rückkehr von Angehörigen aus der somalischen Diaspora, aus den Industrieländern und den islamischen Ländern wie Saudi-Arabien haben dazu beigetragen, dass die weibliche Genitalverstümmelung zurückgegangen ist. In Saudi-Arabien sind solche unmenschlichen Praktiken verboten.“

Die Geschäftsleiterin von Swisso Kalmo in der Schweiz, Ruth Dällenbach, erwähnte: „Wichtig ist auch die Auseinandersetzung mit den direkten Akteurinnen: Solange die Durchführung von Beschneidungen die einzige Einkommensquelle ist, werden die „Praktizierenden“ kaum freiwillig darauf verzichten. Gegen diese Praktiken ankämpfen bedingt, diesen Frauen Alternativen zu bieten und sie im Aufbau einer Existenzgrundlage zu unterstützen.“

Projekt: Ausbildung von Hebammen in der Region Galgaduud 

Swisso Kalmo möchte in der Region Galgaduud Hebammen ausbilden und hat dafür um Unterstützung auch bei seinen Spenderinnen und Spendern und Stiftungen in der Schweiz aufgerufen. Geschultes medizinisches Personal und die Ausbildung von Hebammen sind ein wichtigen Beitrag im Kampf gegen die schrecklichen Praktiken der weiblichen Genitalverstümmelungen. Die jungen Hebammen werden ihren Patientinnen in Gesundheitszentren professionelle Betreuung und Hilfe anbieten und auch zu Verhaltensänderungen bei den Betroffenen und ihrem Umfeld anregen.

Wer in Somalia Geld hat, kann sich in Städten bei einem Arzt oder in einem Spital behandeln lassen. Wer Geld hat, kann auch seine Kinder in die Schule schicken. Eine Situation natürlich, die auch in vielen anderen Ländern der Fall ist. Viele Somalier werden von Angehörigen, die im Ausland leben, unterstützt. Mit kleinen Überweisungen, von 50 – 100 Dollar im Monat, können ganze Familien über die Runden kommen.

Weitere Informationen zu der heutigen Lage in Somalia von Nur Scecdon Olad und Bashir Gobdon auf der Homepage von Swisso Kalmo: www.swisso-kalmo.ch (4) und (5)

Allgemeine Infos zu Somalia:

Bürgerkrieg seit 1991, mit Einmischung ausländischer Mächte 

Somalia wurde Ende des 19. Jahrhunderts kolonialisiert und ausgebeutet durch Europa. Grossbritannien setzte sich im Norden fest, in Somaliland und Puntland. Der Süden und der Osten Somalias wurden von Italien beherrscht. Am 1. Juli 1960 wurden die beiden Kolonien gemeinsam als Somalia unabhängig. 1991, nach dem Sturz des somalischen Diktators Siad Barre, brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, in den sich immer wieder auch ausländische Mächte einmischten. Dieser Bürgerkrieg verursachte unermessliches Elend: Die staatlichen Strukturen, das Schul- und Gesundheitswesen zerfielen.

Somalia zählt heute über eine Million intern vertriebener Menschen, bei einer Einwohnerzahl von schätzungsweise 10 Millionen Einwohnern. Hunderttausende leben in Somalia am Rande der Städte in Lagern, in Hütten zusammengebaut aus Plastik, Tüchern und Stecken. Viele Somalier sind ins Ausland geflüchtet. Allein im Flüchtlingslager Dadaab in Kenia leben fast 400.000 somalische Flüchtlinge, zum Teil seit 20 Jahren. Zum Vergleich: Die Schweiz mit 8.2 Millionen Einwohnern wird in diesem Jahr etwa 27.000 Asylsuchenden den Aufenthalt gewähren.

Ostafrika wird immer wieder von Dürren heimgesucht. Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen zufolge starben während der letzten Trockenperiode, zwischen Oktober 2010 und April 2012, in Somalia 258.000 Menschen an den Folgen der Nahrungsmittelknappheit im Land.

St. Galler Stiftung ermöglicht Medizinstudium einer jungen Frau in Mogadischu

Die Gisela Nägeli Stiftung aus St. Gallen finanziert der somalischen Studentin Deeka in Mogadischu das Medizinstudium an der Benadir Universität. Sie wird 2016 ihr Studium abschliessen. Deeka ist eine Absolventin der Sekundarschule New Ways in Merka des Fördervereins Neue Wege in Somalia.

Hinweise:

Infos über Swisso Kalmo: www.swisso-kalmo.ch, Englisch: www.swisso-kalmo.org

Infos über den Förderverein Neue Wege in Somalia, gegründet von Verena Karrer: www.nw-merka.ch

(1) https://www.youtube.com/watch?v=EFN0K4bOB6w&feature=youtu.be

(2) https://drive.google.com/file/d/0B2u1bN-UkRZiaUg1TFBxc2tVRTQ/edit?pli=1

(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Infibulation)

(4) http://www.swisso-kalmo.ch/aktuell/Mogadischu_heute.pdf

(5) http://www.swisso-kalmo.ch/aktuell/Interview_Bashir_Gobdon_2015.pdf

 

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