Ist Frieden machbar? Heute: Milliarden für Militär und Rüstung und Millionen Menschen hungern

2019 wurden weltweit für das Militär und die Rüstung rund 1.917 Milliar­den US-Dollar ausgegeben. Das sind 241 US-Dollar pro Kopf der Weltbevölkerung. 66 Cent pro Tag. (1) Zum Vergleich: Das World Food Programm brachte 2019 8 Milliarden US-Dollar zusammen. Diese Organi­sation unterstützte 97 Millionen Menschen in 88 Ländern. (2) Trotzdem hungern 690 Millionen Menschen und zwei Milliarden leiden an Mangelernährung.

Etwa 3,1 Millionen Kinder unter 5 Jah­ren sterben jährlich durch Hunger, alle 10 Sekunden verhungert ein Kind. Mit 40 Cent könnte das Welternährung­programm ein Kind einen ganzen Tag lang ernähren, das sonst nichts zu essen hat. Das würde pro Jahr 452,6 Millionen US-Dollar kosten. Rechnen wir aber grosszügiger und nehmen wir 10 Dollar pro Tag für ein Kind. Das würde pro Jahr 11,315 Milliarden US-Dollar kosten. Das wären 169-Mal weniger als die 1917 Milliarden US-Dollar die weltweit für die Rüstung und das Militär ausgegeben werden. Mit zehn Dollar pro Tag könnte ein Kind dann vielleicht sogar die Schule besu­chen und in einem Ambulatorium medi­zinische Hilfe finden, wenn es krank wird.

Anteile der 15 Ländern mit den im Jahr 2020 höchsten Militärausgaben (Grafik SIPRI)

2019: 72,9 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen

Weltweit haben 2019 neun Länder 72,9 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen ausge­geben, unter Berücksichtigung der Kosten für die Wartung und den Bau neuer Kern­waffen. Pro Minute sind das 138.699 US-Dollar, die in der Welt für Atomwaffen aus­gegeben werden. Die weltweiten Nuklearausgaben stiegen ab 2018 um 7,1 Milliar­den US-Dollar, was den gesamten Militärausgaben entspricht, die von 2018 bis 2019 dramatisch gestiegen sind. Beatrice Fihn, Exekutivdirektorin von ICAN (Internationa­len Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) erklärte: «Es ist absurd, jede Minute 138.700 Dollar für Waffen auszugeben, die katastrophalen menschlichen Schaden verursachen, anstatt sie auszugeben, um die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen. Sie geben ihrer Pflicht ab, ihr Volk zu schützen.» (3)  

Grossbritannien: Ausgaben Nuklearwaffen und Gesundheitswesen

Grossbritannien will die Zahl seiner heute 180 Atomsprengköpfe auf 260 erhöhen. (4)

Die Ausgaben Grossbritanniens für den Betrieb seiner Atomstreitkräfte und den Bau eines neuen atomaren U-Boot-Systems beliefen sich 2019 schon auf etwa 7,2 Milliarden Britische Pfund. Untersuchungen zeigen, dass daneben beim National Health Service 43’000 Pflegekräfte und 10’000 Ärzte fehlten. Mit den Ausgaben der Atom­rüstung eines Jahres könnten diese Mängel mehr als behoben werden. Mit den 7,2 Milliarden Britischen Pfund wäre es möglich 100.000 Krankenhausbetten für Intensivstationen, 30.000 Beat­mungsgeräte und die Gehälter von 50.000 britischen Krankenschwestern und 40.000 Ärzten zu finanzieren. (5)

Frankreich: Ausgaben Nuklearwaffen und Gesundheitswesen

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat für die französischen Atomstreitkräfte von 2019 bis 2025 37 Mrd. EUR vorgesehen, was für 2019 einem Betrag von rund 4,5 Mrd. EUR entspricht, da dies sieben Geschäfts­jahre umfasst und die steigenden Kos­ten im Laufe der Zeit berücksichtigt werden. Mit diesen Mitteln könnten in Frankreich100.000 Krankenhausbetten für Intensivstationen, 10.000 Beat­mungsgeräte und die Gehälter von 20.000 Krankenschwestern und von 10.000 Ärzten bezahlt werden. (5)

Transparent der Union pacifiste bei einer Demonstration auf dem St. Michel Platz in Paris
(Bild: Suzanne Glaner)

Schweiz: Kriegsmaterialexporte und Finanzierung von Rüstungskonzernen und Atomwaffenproduzenten

Im letzten Jahr, 2020, hat die neutrale Schweiz für 901,2 Millionen Schweizer Franken Kriegsmaterial exportiert. (802 Mio. EUR) Das sind 24 Prozent mehr als 2019. (2019: 727,96 Mio. ,656 Mio. EUR). Schon 2019 verkaufte Helvetien 43 Prozent mehr Rüstungsgüter als 2018. (2018: 509;88 Mio., 459 Mio. EUR) (6)

Laut dem Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) stand die Schweiz von 2010 – 2020 mit ihren Kriegsmaterialexporten (Grosswaffen) pro Kopf der Bevölkerung weltweit an fünfter Stelle. Nur Israel, Russland, Schweden und die Niederlande exportierten pro Kopf mehr Waffen.

Neben diesen Waffenexporten investierte die Schweizerische Nationalbank, Banken Versicherungen und Pensionskassen unseres Landes Milliarden in Rüstungskon­zerne. – Wie viele Milliarden ist mir nicht bekannt. – Bekannt hingegen ist, dank Recherchen von ICAN, der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atom­waffen, dass im Jahr 2019 schweizerische Geldhäuser für 8,983 Milliarden US-Dollar in Konzerne investierten die Atomwaffen herstellen. Die Schweizerische National­bank hat vom Januar 2017 bis Januar 2019 1’314,2 Mio. US-Dollar in Firmen der Kernwaffenindustrie angelegt. Die Credit Suisse hat vom Januar 2017 bis Januar 2019 1’312,9 Mio. US-Dollar auch in solche Betriebe gesteckt. Die UBS investierte in der gleichen Periode sogar 6‘315 Mio. US-Dollar in Unternehmen, die an der Herstel­lung von nuklearen Sprengkörpern beteiligt sind. (Zahlen ICAN Friedensnobelpreis­träger 2017) (7)

Schweiz investiert pro Kopf der Bevölkerung 7,4-mal mehr in die Atomwaffenindustrie als Deutschland

Zum Vergleich die Finanzinstitute Deutschlands, ein Land mit 84,3 Millionen Einwoh­nern, platzierten 2019 11,759 Milliarden US-Dollar in die Atomwaffenindustrie. Die Schweiz hat 8,6 Millionen Einwohner. Pro Kopf der Bevölkerung investierte die Schweiz also 2019 1046 USD in Atomwaffenkonzerne und Deutschland 141 USD.

Deutschland: Investition in Atomwaffenproduzenten (Zahlen ICAN)

Schweiz: Gesetzliches Atomwaffen-Finanzierungsverbot, aber…

ICAN schreibt: «Das Schweizer Banken Geld in die Weiterentwicklung von Massen­vernichtungswaffen investieren, ist umso erstaunlicher als dies in der Schweiz verbo­ten ist. Seit der Revision des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) vom 1. Januar 2013 gibt es ein gesetzliches Finanzierungsverbot von verbotenen Waffen. Darunter fallen auch die Atomwaffen, welche in Art. 7 Abs. 1 lit. a KMG aufgeführt sind». (8)

Gerechtfertigt werden diese Investitionen, mit erheblichen Gesetzeslücken, welche das Finanzierungsverbot von Atomwaffen aufweise. Obschon das Finanzierungsver­bot sowohl die direkte als auch die indirekte Finanzierung umfasse (Art. 8b und 8c KMG) sei die indirekte Finanzierung (z.B. der Erwerb von Obligationen von Firmen die Atomwaffen entwickeln) nur dann verboten, wenn damit das Verbot der direkten Finanzierung umgangen werden soll, und eine Zuwiderhandlung des Finanzierungs­verbots besteht nur wenn der Täter vorsätzlich handelt (der Eventualvorsatz ist aus­geschlossen). – Ich verstehe diese juristische Argumentation nicht. Ich nehme eher an, dass der wahre Grund der Nichtbefolgung darin liegt, dass die Investoren sich die Profite der Atomwaffenindustrie nicht entgehen lassen wollen. Es wird konventionell und nuklear aufgerüstet, „um den Frieden zu sichern.“ Deshalb steigen die Profite, die in der Rüstungsindustrie erzielt werden können.

Die Explosion von 100 Atombomben würde einen nuklearen Winter auslösen

Was würde passieren, wenn Atombomben die 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden wieder einmal in einem Krieg eingesetzt würden, als Folge einer technischen Panne, einem Missverständnis oder durch Verrückte am Hebel der Macht? Bei der Explosion von 100 Atombomben bei einem begrenzten Atomkrieg würde ein nuklearer Winter die Erde verdunkeln.

Ein regionaler Atomkrieg mit rund 100 Waffen im Hiroshima-Format würde das glo­bale Klima und die landwirtschaftliche Produktion so stark stören, dass mehr als eine Milliarde Menschen von Hungersnöten bedroht wären, wie jüngste Untersuchungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs zeigen. Obwohl es nicht zum Aussterben der menschlichen Rasse führen würde, würde es ein Ende der modernen Zivilisation, wie wir sie kennen, herbeiführen.

Atomwaffen sind die einzigen Geräte, die jemals mit der Fähigkeit geschaffen wur­den, alle komplexen Lebensformen auf der Erde innerhalb kurzer Zeit zu zerstören. Ein Krieg, der mit 1.000 Atomwaffen geführt wird – etwa 5 Prozent des gesamten weltweiten Vorrats – würde den Planeten unbewohnbar machen.

US-Atomwaffen in Europa und der Türkei die im Falle eines Krieges in die Zielgebiete geflogen werden sollen

Atomwaffen raus aus Deutschland

Wenn das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht, wird Widerstand zur Pflicht. AktivistInnen von Stopp Air Base Ramstein blockierten am 28. Juni 2019 drei Tore des Atomwaffen-Stützpunktes Büchel in Rheinland-Pfalz. Auf dem Fliegerhorst der deutschen Luftwaffe lagern im Rahmen der nuklearen Teilhabe US-amerikani­sche Atomwaffen, die im Falle eines Krieges von deutschen Soldaten in die Zielge­biete geflogen werden sollen.

AUSGEZEICHNET MIT DEM ALTERNATIVEN MEDIENPREIS 2017, IN DER KATEGORIE „MACHT“!

Schweiz: Verbot an kriegführende Staaten Waffen zu liefern, aber…

Auch für die Bewilligung von Kriegsmaterialexporten gibt es in der Schweiz seit Jahrzehnten eine klare Bestimmung, dass Rüstungsexporte nicht bewilligt werden dürfen, wenn: «a. das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist; (9)

«b. das Bestimmungsland Menschenrechte systematisch und schwerwiegend ver­letzt;

«c.12 … d.13 im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszufüh­rende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird; oder

e.14 im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegs­material an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird.

Auch bei diesem klaren Verbot gibt es dann Ausflüchte, die es erlaubten seit Jahr­zehnten kriegführenden und menschenrechtsverletzen Staaten, der USA, Grossbri­tannien, Deutschland, Frankreich, Saudiarabien, der Türkei, Pakistan und anderen Regimes aus der Schweiz Rüstungsgüter zu liefern.

Es wurde daher festgeschrieben, „In der Schweiz solle eine an die Bedürf­nisse der Landesverteidigung ange­passte industrielle Kapazität auch in Zukunft sichergestellt werden. Deshalb soll es in Zukunft möglich sein, unter gewissen Umständen Kriegsmaterial­ausfuhren nach Ländern, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwi­ckelt sind, zu bewilligen.» Damit kön­nen eigentlich alle Exporte der grossen Rüstungskonzerne in der Schweiz, Rheinmetall, General Dynamics (Mowag), der bundeseigenen Rüs­tungsbetriebe und anderen Firmen bewilligt werden.

Rüstungskonzern Rheinmetall in Zürich, in Oerlikon, dort wo die Kanonen blühn, früher Waffenfabrik Oerlikon-Bührle.
(Foto Heinrich Frei)

Fussnoten

(1) Home | SIPRI

(2)  Overview | World Food Programme (wfp.org)

(3)  Enough is Enough: Global Nuclear Weapons Spending 2020 – ICAN (icanw.org)

4) Grossbritannien erweitert Atomwaffenarsenal | ICAN Deutschland (icanw.de)

(5) Nuclear Spending vs Healthcare – ICAN (icanw.org)

(6) Zahlen und Statistiken 2020 (admin.ch)

(7) Dont Bank On The Bomb – CH 2019 – ICAN Switzerland | Tableau Public

(8) SR 514.51 (admin.ch)

(9) SR 514.511 (admin.ch)

Beilage:

Kriegsmaterialexporte der neutralen Schweiz von 1975 – 2020 20,1 Milliarden Schweizer Franken (18,2 Mia. EUR) für den Krieg, zum Töten

Laut der offiziellen Statistik des Bundes exportierte die Schweiz von 1975 – 2020 für 20,1 Milliarden Franken (18,2 Mia. EUR) Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüs­tungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, an Nato-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 20,1 Milliarden Franken (18,2 Mia. EUR) sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in die­sen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherun­gen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Cluster­bomben beteiligt sind. Laut dem Kriegsmaterialgesetz ist die „direkte und indirekte Finanzierung“ von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen Minen.

Zahlen 1975- 1982:

Kriegsmaterial-Exportstatistik 1975 -1982, aus «Waffenplatz Schweiz, Beiträge zur schweizerischen Rüstungsindustrie und Waffenausfuhr», Herausgegeben vom Tagungssekretariat «Für das Leben produzieren», Oktober 1983.

Zahlen 1983 – 2020:

«Staatssekretariat für Wirtschaft SECO»

Heinrich Frei

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