Gewaltfreie Verteidigung… und gewaltfreie Befreiungsbewegungen

Es wird aufgerüstet, wie drüben beim Feind, «um den Frieden zu sichern». Das grösste NATO-Manöver seit Jahrzehnten hat nun begonnen. Es geht darum einen russischen Angriff abzuwehren. Der deutsche Kriegsminister Boris Pistorius sprach von der Möglichkeit eines russischen Angriffs in fünf bis acht Jahren. Dringend «kriegstüchtig» mahnte der Sozialdemokrat, müsse deswegen die deutsche Bundeswehr werden. Auch die Wiedereinführung der Kriegsdienstpflicht in Deutschland zieht er in Betracht…

Russland ist jedoch zu schwach, um ein NATO-Land anzugreifen auch nicht in fünf bis acht Jahren. 2022 gab Russland 2022 86,4 Milliarden US Dollar für die Rüstung aus, Grossbritannien 68,5 Milliarden USD, Deutschland 55,8 Milliarden USD, Frankreich 53,6 Milliarden USD und Italien 33,5 Milliarden USD. Allein die vier europäischen Nato-Staaten, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien haben 2022 fast 2,5-mal so viel wie Russland für die Rüstung und das Militär verbraten.

(1)  SIPRI Yearbook 2023 | SIPRI

Die USA vergeudete 2022 877 Milliarden US Dollar für das Militär, 10-mal mehr als Russland. Die Lobby der Rüstungsindustrie ist in den USA sehr mächtig, wie leider in vielen Ländern auch, auch in Russland und der neutralen Schweiz.

2024 wird hüben wie drüben noch viel mehr Geld für das Militär ausgegeben, auf Kosten von sozialen Programmen und dem Ausbau der Infrastruktur. Eine Reihe von NATO-Verbündeten hat nun auch das Ziel erreicht zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für den Krieg auszugeben. Auch die Schweiz will das Militärbudget massiv erhöhen.

(2) Joe Biden ist Handlanger der mächtigen Rüstungskonzerne, von Jeffrey Sachs, https://www.infosperber.ch/politik/welt/joe-biden-ist-handlanger-der-maechtigen-ruestungskonzerne/

(3) Der diskrete Arm der Rüstungslobby, von Otto Hostettler, Beobachter 24/2022)

Russland ist wirtschaftlich keine Grossmacht

Russland verfügt zwar über eine grosse Rüstungsindustrie und ist Atommacht, aber wirtschaftlich ist es keine Grossmacht. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) Russlands betrug 2022  2240 Milliarden US Dollar. Es war nicht viel grösser als das von Italien, das 2022 2050 Milliarden US-Dollar betrug. Das Bruttoinlandprodukt in der Europäische Union betrug 2022 16746 Milliarden US Dollar, also über 7-mal mehr als das BIP von Russland.

(4) BIP – LISTE DER LÄNDER – EUROPA (tradingeconomics.com)

Schweizer Armee

Pisten präparieren für Skirennen, Bewachung Weltwirtschaftsforum in Davos

Als Schweizer Soldat wurde mir gesagt, wir seien alles Friedenssoldaten. Wir würden den Frieden sichern und die Neutralität. Die Schweizer Armee kam aber früher nur gegen den inneren Feind zum Einsatz, gegen streikende Arbeiter, heute unter anderem auch zum Pisten präparieren beim Skirennen am Lauberhorn und zur Bewachung des Weltwirtschaftsforum in Davos.

(5) vtg.admin.ch/de/armee.detail.news.html/vtg-internet/verwaltung/2022/22-01/220114-lauberhorn.html

Das Weltwirtschaftsforum in Davos wurde von 5000 Soldaten der Schweizer Armee gesichert.

(6) World Economic Forum – Grosser Einsatz der Armee zum Schutz des WEF – News – SRF

(7) Innere Einsätze der Armee nehmen zu – GSoA verlangt Marschhalt – GSoA

Partnerschaft für den Frieden, Zusammenarbeit mit der NATO

Die Schweizer Armee ist heute eng mit der NATO liiert, auch mit der so genannten «Partnerschaft für den Frieden» (englisch Partnership for Peace; PfP). Diese Partnerschaft ist eine 1994 ins Leben gerufene Verbindung zur militärischen Zusammenarbeit zwischen der NATO und 19 europäischen sowie asiatischen Staaten, die keine NATO-Mitglieder sind. Wie es heisst, trägt die Schweiz mit ihrer Beteiligung an dieser «Partnerschaft für den Frieden» zur Stabilisierung der Lage vor Ort bei, was in unserem Interesse sei, und damit trainiere die Schweizer auch ihre Interoperabilität, die Zusammenarbeit mit der NATO.

(8) Partnerschaft für den Frieden – Wikipedia

NATO-Truppen üben in der Schweiz militärische «Friedenseinsätze»

NATO-Verbände waren auch schon in der Schweiz auf Besuch: Französische Panzerkompanien übten die Sicherung des Friedens im Glarnerland, britische Truppen trainierten Einsätze zur Verteidigung der Freiheit in Afghanistan, im Berner Oberland. Deutschen Piloten trainierten in den Schweizer Alpen die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch. Ein bundesrepublikanischer Tornado raste dabei zuhinterst im Lauterbrunnental bei einer solchen Übung in eine Felswand.

Militärische Verteidigung sinnvoll?

Es stellt sich die Frage, ist militärische Verteidigung sinnvoll. Wäre eine gewaltfreie Verteidigung und wären auch gewaltfreie Befreiungsbewegungen nicht erfolgreicher? Die Opfer, die der Krieg in Gaza und der Ukraine bis heute gefordert haben, sind furchtbar. In der Ukraine wurde die Infrastruktur, wurden Häuser zerstört. Der Wiederaufbau wird Jahrzehnte dauern. Die Verseuchung durch Minen, Streubomben und Uranmunition wird nach dem Krieg noch lange viele Opfer fordern. Ganze Landstriche werden lange landwirtschaftlich nicht mehr nutzbar sein wie in Südostasien nach dem Vietnamkrieg, im Nahen Osten, auf dem Balkan und in Afrika.

Vertreter der US-Regierung gehen davon aus, dass im Ukrainekrieg bisher insgesamt fast eine halbe Million Soldaten getötet oder verwundet wurden.(9) https://www.n-tv.de/politik/Bericht-schaetzt-Verluste-in-der-Ukraine-auf-fast-500-000-Soldaten-article24336375.html

Israelische und arabische linke Aktivisten protestieren gemeinsam gegen den Krieg in Gaza (Bild Al Jazeera)

(10)Breaking News, World News and Video from Al Jazeera)

Der Gazakrieg hat bisher über 26’000 Opfer gefordert und über 75’000 Menschen wurden verletzt. Ein gewaltloses Vorgehen der Palästinenser, mit oder ohne die Hamas in Gaza hätte ihre Situation vielleicht verbessern können, nicht wie jetzt verschlechtern.

Warum Widerstand funktioniert

Rainer Schmid, der Plattform Waffen vom Bodensee, dokumentierte am 14. März 2022, an einer Zoom Konferenz: «Sicherheit lässt sich mit gewaltlosen Aktionen besser herstellen als mit Militär. Nach militärisch geführten Befreiungskriegen ist die Gefahr auch gross, dass keine demokratischen Verhältnisse erreicht werden können. Pazifisten sind die besseren Realisten».

(11)  www.waffenvombodensee.de

Rainer Schmid verwies auf die Studie von Erica Chenoweth die 2011 in ihrer Studie zeigte «Warum ziviler Widerstand funktioniert» (Why Civil Resistance works)

(12) Why Civil Resistance Works | Columbia University Press

1968 Tschechoslowakei und Ungarn 1956

1968 Tschechoslowakei: Nach dem Einmarsch der Warschauer Pakt Truppen in der Tschechoslowakei wurde vor allem zivilen Widerstand gegen die Besatzer geleistet. Im Zeitraum von August bis Dezember 1968 kamen aufgrund der militärischen Intervention 137 tschechoslowakische Staatsbürger ums Leben. Die Infrastruktur der Tschechoslowakei blieb aber intakt, etwa 200’000 Menschen flohen ins Ausland. Nach tagelangen gewaltlosen Protesten trat Ende 1989 die so genannte «kommunistische» Führung der Tschechoslowakei zurück.

Ungarn 1956: Der Volksaufstand in Ungarn forderte 1956 2500 – 3000 Opfer. Der Aufstand wurde von der Roten Armee der Sowjetunion niederschlagen, die Führer des Aufstandes und Mitglieder der Regierung wurden hingerichtet. Aber das Land wurde nicht zerstört. 200’000 Personen flohen aus Ungarn, etwa die Hälfte von ihnen kamen in den folgenden Jahren wieder zurück. 1989 begann auch in Ungarn wie in anderen Ländern des Ostblocks die Wende.

Im Rückblick kann man sich fragen, hätte es in Vietnam (1945 – 1975), in Algerien (1954 – 1975) und in Nicaragua (1981 – 1990) und in anderen bewaffneten Auseinandersetzungen nicht auch einen gewaltfreien Weg zur Befreiung gegeben.

Schweiz: Wiederausfuhr von Kriegsmaterial erleichtern?

Im Laufe des Krieges in der Ukraine wurde in der Schweiz die Frage der Nichtwiederausfuhr von Kriegsmaterial aktuell. Der Bundesrat der Schweiz und die Verwaltung bekam Gesuche von Deutschland, Dänemark und Spanien für die Weitergabe von aus der Schweiz beschafftem Kriegsmaterial an die Ukraine. Der Bundesrat wollte aber an der bisherigen Praxis festhalten und diesen Staaten die Wiederausfuhr nicht erlauben. Er stützte sich auf das Kriegsmaterialgesetz und die lange humanitäre Tradition der Schweiz als neutraler Staat. Der Bundesrat liess verlauten, er stehe zu den Werten der Schweizer Neutralität und werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass deren Vorzüge zur Geltung kommen. Dieser Entscheid kam bei vielen Politikerinnen und Politiker der Schweiz nicht gut an. Sie wollten Deutschland, Dänemark und Spanien erlauben Schweizer Kriegsmaterial der Ukraine zu weiterzuliefern, damit sich dieses Land verteidigen kann. 

Schweizer Kriegsmaterialexporte von 1975 – 2022: 21,755 Milliarden Franken

Dass sich der Bundesrat zu den Werten der Schweizer Neutralität bekennt und sich weiterhin dafür einsetzen will, dass deren Vorzüge zur Geltung kommen, tönt gut. Aber die langjährige Praxis der Kriegsmaterialexporte in den letzten Jahrzehnten war eine andere: Nach der offiziellen Statistik des Bundes, des SECO, exportierte die Schweiz von 1975 – 2022 für 21,755 Milliarden Franken Kriegsmaterial. Verkauft wurden diese Rüstungsgüter zu einem grossen Teil an kriegführende Staaten, an NATO-Militärs, in Spannungsgebiete, an menschenrechtsverletzende Regimes und an arme Länder in der Dritten Welt, in denen Menschen hungern und verhungern. In den 21,755Milliarden Franken sind die besonderen militärischen Güter nicht eingerechnet, die ebenfalls exportiert wurden, aber nicht in der offiziellen Statistik erscheinen. Auch die Finanzierung von Waffengeschäften durch Schweizer Banken erscheinen in diesen Zahlen nicht. Schweizer Geldinstitute, die Nationalbank, Banken, Versicherungen und Pensionskassen investierten in den letzten Jahren sogar in Firmen, die an der Atomwaffenproduktion, an der Herstellung von Anti-Personenminen und Clusterbomben beteiligt sind. Laut dem Kriegsmaterialgesetz wäre die «direkte und indirekte Finanzierung» von verbotenem Kriegsmaterial schon heute klar untersagt. Verbotene Waffen sind in der Schweiz chemische und biologische Waffen, Atombomben, Streubomben und Antipersonen Minen.

Grosse Rüstungsunternehmen in der Schweiz, die die meisten Waffenexporte bestreiten sind in ausländischer Hand, wie der deutsche Konzern Rheinmetall (Kanonen und Munition) und der US Rüstungsgigant General Dynamics, (Mowag, Schützenpanzer) und der italienische Konzern Beretta. (früher RUAG Ammotec).

Nichtwiederausfuhrverbot für Kriegsmaterial aufweichen?

Die Präsidentin der Sicherheitskommission des Schweizer Nationalrats die Sozialdemokratin Frau Priska Seiler Graf (55) machte zu den Schweizer Kriegsmaterialexporten folgenden Vorschlag: «Neu soll für bestimmte Länder mit ähnlichen Werten wie die Schweiz das bisherige Nichtwiederausfuhrverbot für Kriegsmaterial auf fünf Jahre befristet werden können.»

Wie kommt eine Politikerin dazu sich zu engagieren, das Nichtwiederausfuhrverbot für Kriegsmaterial aufzuweichen, «auf fünf Jahre zu befristen»?

Frau Priska Seiler Graf ist Mitglied einer Partei, die in ihrem Parteiprogramm sich für ein striktes Verbot von Waffenexporten einsetzt und sogar für die Abschaffung der Schweizer Armee einsetzt.

(13) SP-Parteiprogramm_definitiv-DE (sp-ps.ch)

Schon heute ist die Nichtwiederausfuhr von Kriegsmaterial erleichtert mit der Bestimmung «Auf eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung wird verzichtet, wenn es sich um Einzelteile oder Baugruppen von geringem Wert handelt.» In der Vergangenheit handelte sich bei solchen Einzelteilen, mit angeblichem geringem Wert, um Zielgeräte, die auf Panzer montiert wurden.

Fussnoten

(1)  SIPRI Yearbook 2023 | SIPRI

(2) Joe Biden ist Handlanger der mächtigen Rüstungskonzerne, von Jeffrey Sachs, https://www.infosperber.ch/politik/welt/joe-biden-ist-handlanger-der-maechtigen-ruestungskonzerne/

(3) Diskreter «Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik» (Asuw)

Im Bundeshaus in Bern sorgt der diskrete «Arbeitskreis Sicherheit und Wehrtechnik» (Asuw) sich um die Anliegen der Rüstungsfabrikanten. «Die Industriefirmen, die bei der Asuw mitmachen, sind öffentlich bekannt. Dazu gehören laut Swissmen etwa die Rüstungsfirmen Ruag, Rheinmetall Air Defence (Deutschland), der Sicherheitskonzern Thales (Frankreich), der Panzer- und Fahrzeugbauer GDELS-Mowag (USA) und der grösste israelische Rüstungsexporteur Elbit.» «Das Netzwerk der Lobby umfasst 21 National- und Ständeräte sowie 33 frühere nationale Politikerinnen und Politiker. Das Co-Präsidium teilen sich FDP-Nationalrätin Maja Riniker und Thomas Rechsteiner (Mitte)» Beide üben dieses Mandat ehrenamtlich aus. (Der diskrete Arm der Rüstungslobby, von Otto Hostettler, Beobachter 24/2022)

(4) BIP – LISTE DER LÄNDER – EUROPA (tradingeconomics.com)

(5) vtg.admin.ch/de/armee.detail.news.html/vtg-internet/verwaltung/2022/22-01/220114-lauberhorn.html

(6) World Economic Forum – Grosser Einsatz der Armee zum Schutz des WEF – News – SRF

(7) Innere Einsätze der Armee nehmen zu – GSoA verlangt Marschhalt – GSoA

(8) Partnerschaft für den Frieden – Wikipedia

(9) https://www.n-tv.de/politik/Bericht-schaetzt-Verluste-in-der-Ukraine-auf-fast-500-000-Soldaten-article24336375.html

(10)Breaking News, World News and Video from Al Jazeera)

(11)  www.waffenvombodensee.de

(12) Why Civil Resistance Works | Columbia University Press

(13) SP-Parteiprogramm_definitiv-DE (sp-ps.ch)

Im Parteiprogramm der Schweizer Sozialdemokraten ist zu lesen:

«Dafür steht die SP ein:

3. Die SP setzt sich ein für ein striktes Verbot von Waffenexporten und dafür ein, dass Schweizer Unternehmen keine kriegsfördernden Geschäfte mit Diktaturen und Unrechtsregimes betreiben.»

«5. Die SP setzt sich für die Abschaffung der Armee ein. Bis dieses Ziel erreicht ist, soll die Schweizer Armee massiv ab- und umgebaut werden.»

«Militär und Armeen sind nach diesem Verständnis grundsätzlich kontraproduktiv. Sie beziehen ihre Legitimation aus Kriegen und die Befehlshaber schüren das Feuer der Gewalt weiter. Deshalb lehnt es die SP ab, dass mit militärischen Mitteln Friedens- und Sicherheitspolitik betrieben werden soll. Die SP steht ein für eine antimilitaristische Friedens- und Sicherheitspolitik.»

«Heute ist die Schweiz durch ihre wirtschaftlichen Verstrickungen mitverantwortlich für Kriege, Ausbeutung und Armut auf dieser Welt. Schweizer Rüstungsbetriebe liefern Waffen in Kriegs- und Krisengebiete. Schweizer Banken stabilisieren Unrechtsregime, in dem sie als Hort für Diktatorengelder dienen und Kredite geben. Schweizer Grossunternehmen zahlen in ihren Niederlassungen in der Dritten Welt Hungerlöhne. Eine solidarische Friedens- und Sicherheitspolitik in der Schweiz sorgt dafür, dass diese schmutzigen Geschäfte mit dem Tod gestoppt werden.»

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