Für eine Kultur des Friedens in der Schweiz

Für eine Kultur des Friedens in der Schweiz

Überblick Konzept und Kurzvorschlag Friedensbildung – IFOR Schweiz

von Oliver Rizzi Carlson

Diskussionsvorschlag für eine Teilzeitstelle ‘Friedensbildung’ im IFOR-Schweiz

Zu Handen der ausserordentlichen MV am 16.9.2017

  1. Aktuelle Situation

Die Schweiz ist in einer privilegierten Situation, macht aber gleichwohl die Erfahrung struktureller und kultureller Gewalt. Der IFOR-Schweiz kann eine Rolle spielen in der Verbreitung von Kompetenzen für die Entwicklung einer Kultur des Friedens in der Schweiz, die sich in deren Tradition einfügt und sie bereichert. IFOR-Schweiz ist sich bewusst, dass schon mehrere ähnliche Initiativen in der Schweiz existieren. Die Frage ist, wo noch Lücken bestehen, und was er dazu beitragen kann, um konkrete Projekte zu entwerfen und in Gang zu setzen.

  1. Schon bestehende Initiativen im Bereich Friedensbildung oder Förderung einer Friedenskultur in der Schweiz

Es gibt schon mehrere Initiativen in der Schweiz, die auf eine Entwicklung einer Friedenskultur zielen, oft über die Friedensbildung. Diese Initiativen sind häufig nicht genügend bekannt, breit abgestützt und koordiniert. Mangels Koordination ist es schwierig eine vollständige Liste solcher Initiativen zu erstellen; auch weil sich viele nicht explizit als ‘Friedenserziehung’ oder Friedenskultur’ bezeichnen. Viele dieser Projekte scheinen das Resultat isolierter Initiativen zu sein, mit wenig finanziellen Ressourcen oder langfristiger Perspektive.

  1. Unerfüllte Bedürfnisse der bestehenden Initiativen

Notwendig ist eine langfristige Arbeit für die erwünschte kulturelle Veränderung. Sie geschieht nicht von einem Tag auf den andern; es braucht eine gewisse Kontinuität und Intensität in dieser kulturellen Arbeit.

Es ist auch wichtig, die Veränderung in Richtung auf eine Kultur des Friedens sowohl in der Wahl der Worte und Sprache als auch in der Struktur und den Inhalten der Programme Gestalt zu geben.

  1. Ideen für konkrete Projekte

Hier nun einige Pisten für konkrete Möglichkeiten. Diese Vorschläge beruhen auch auf den Kompetenzen des Autors dieses Konzepts. Von andern Leuten könnten deshalb auch andere Projekte initiiert werden. Wichtig ist der Nachweis, dass diese Projekte auch finanziell durchführbar sind. (Weitere Ideen sind unten in der Auflistung ‘weitere Ideen’ aufgeführt)

 

  1. Peace Clubs

Peace Clubs sind selbstbestimmte Gruppen von  SchülerInnen/StudentInnen in Schulen, welche Aktivitäten für den Frieden in ihrer Schule unternehmen. IFOR-Schweiz kann die Bildung solcher Gruppen anregen und ihnen seine regelmässige oder punktuelle Unterstützung anbieten. Das Hauptziel solcher Gruppen ist,  Junge zu ermutigen sich mit Friedensanliegen auseinanderzusetzen, und sie mit Aktivitäten und Methoden bekannt zu machen, wie sie sich für den Frieden einsetzen können. Friedensclubs können über ihr Engagement  auch zur Solidarität in den Beziehungen untereinander und in der Gemeinschaft der Schule beitragen. Indem diese Bildung unter Gleichaltrigen geschieht beinhaltet sie auch viele spielerische und fröhliche Elemente. Ein konkreter Aspekt könnte zB sein, zivilcouragiertes Verhalten in der Schule zu fördern.

 

Konkret könnte IFOR-Schweiz Peace Clubs vorantreiben durch:

  1. einen speziellen Flyer über Peace Clubs
  2. ein prägnantes Konzept dazu verbreiten

III. Kontakte mit bestimmten Schulen aufnehmen und ihnen den Flyer und das Kurzkonzept zustellen, sodann die Idee in einem persönlichen Treffen mit den Verantwortlichen erläutern, um auch die Probleme, Bedürfnisse und Wünsche der Schule aufzunehmen. Ev hernach ein erstes Treffen auch mit den Unterrichtenden.

  1. eine Konferenz oder sonst einen Anlass in einer Schule organisieren, der dazu dient, die SchülerInnen und ihre Probleme kennenzulernen und sie dazu zu ermuntern, einen Peace Club in ihrer Schule zu starten, im Rahmen des Netzwerks von Peace Clubs im IFOR-CH. Dabei wird der Unterschied zwischen Schuldelegierten und den Peace Clubs erläutert, und werden folgenden Punkte geklärt:
  2. Aufbau eines Netzwerks von Peace Clubs des IFOR-Schweiz für deren Austausch und gegenseitige Unterstützung
  3. Regelmässige Treffen der Peace Clubs des IFOR-CH (zB alle 2 Monate) für den Austausch, aber auch um ihnen eine Ausbildung anzubieten, die ihnen bei der Entwicklung ihrer Projekte hilfreich sein kann, zb:
  4. Interessante Materialien fürs Studium oder als Inspiration
  5. Anregungen geben und Ideen über Projekte miteinander eilen
  6. Peace Clubs mit Mitgliedern des IFOR-Schweiz, die in der gleichen Region wohnen  in Kontakt bringen. Diese können gelegentlich an ihren Clubtreffen teilnehmen, und bei Bedarf für wichtige Anliegen beim IFOR-Schweiz Unterstützung holen.
  7. Begleitung von Peace Clubs durch Freiwillige oder das IFOR-Sekretariat, um ihre Anliegen wahrzunehmen und zu unterstützen

VII. Natürlich müssen für Primar-, Sekundar- und Kantonsschulen/Gymnasien je spezifische Konzepte für Peace Clubs entwickelt werden.

 

  1. Kurse & gewaltfreie Trainings

IFOR-Schweiz kann Friedenskurse anbieten – sei es in Verbindung mit Peace Clubs oder nicht.

Solche eintägigen bis einwöchigen Kurse zielen eher auf die Entwicklung von Kompetenzen denn Wissensvermittlung, Kompetenzen in Beziehung zu sich selber und zu anderen, um Selbstvertrauen in Konflikten zu entwickeln. Diese Ausbildungen richten sich an Junge, Lehrende oder Organisationen wie Pädagogische Hochschulen. Ihr Ziel ist eine konkrete Anwendung im Alltag der Teilnehmenden.

 

Zwei Arten von Kursen sind möglich: Kurse direkt für bestimmte Teilnehmende, und Trainings für KursleiterInnen:

 

  1. Direkte Kurse

Diese Kurse richten sich an bestimmte Teilnehmende, die sich in einem besonderen Kompetenzbereich des IFOR-Schweiz weiterbilden wollen. Abhängig von der  Nachfrage können solche Kurse vom IFOR-Sekretariat, von beauftragten KursleiterInnen oder auch befähigten IFOR-Mitgliedern realisiert werden, in Ausrichtung auf IFOR-Programme und -Schwerpunkte.

Drei spezielle Ausbildungen könnten auf die Beine gestellt werden:

 

 

  • Zivilcourage (mit Theater des Lebens)

 

Diese Zivilcourage-Ausbildung befähigt zum Sich-Einmischen in Alltagssituationen, um Situationen der direkten, strukturellen oder kulturellen Gewalt zu verändern. Das ‘Theater des Lebens’ ermöglicht, sich mit seinem ganzen Körper in Gewaltsituationen zu versetzen und anstatt aus Angst zu reagieren kreativ neue Handlungsweisen zu entwickeln. Es geht darum, seine  Interventionsmöglichkeiten zu erweitern, und dadurch Beziehungen, Systeme und Haltungen zu verändern.

 

  1. Cercles Restauratifs

 

Restorative Circle ist ein Versöhnungsprozess, der auf Dialog basiert.  Entwickelt wurden die Restorative Circles in den Favelas in Brasilien, um eine Antwort auf die Gewalt und Konflikte zu finden und die Gemeinschaft zu stärken. Es ist eine Methode, die den systemischen Aspekten der Beziehungen und der Konflikte Rechnung trägt und die Bedürfnisse aller berücksichtigt. Ein Versöhnungsdialog im Sinne der RC verläuft nach klar definierten Schritten und wird von einem Vermittler/ einer Vermittlerin begleitet. Alle vom Konflikt betroffenen, und sei es nur am Rand, können, bzw sollen Teil des Prozesses sein. Unterstützend wirken die Präsenz und die Verbindung von jedem einzelnen zu sich selber, die Begegnung mit den anderen und die Bewegung hin zum Konflikt, so schmerzhaft das auch sein mag, wirkliches Zuhören und tiefer Ausdruck  seiner selbst. So werden Beziehungen wieder hergestellt und diese Verbindung und das Vertrauen dienen als Basis für die Zukunft. Dieser Prozess nährt die Dauerhaftigkeit der Beziehungen ohne Angst vor Konflikten. In Trainings können das Wissen und die Kompetenzen erworben werden und die Vermittler entwickeln und erweitern ihre Kompetenzen fortlaufend  mit der wachsenden Erfahrung. Ein Möglichkeit wäre, Praxisgruppen ins Leben zu rufen.

 

  1. Gewaltfreie Kommunikation ( Rad des Dialogs)

Das ‘Rad des Dialogs’ stellt eine Methode der Gewaltfreien Kommunikation dar auf Basis der 5 Schritte für einen echten Dialog:

  1. Erkunden und anerkennen der Wahrheit des anderen (Gegners)
  2. Erkennen und eingestehen der eigenen Fehler und Schwächen
  3. Meine Anliegen und Bedürfnisse ausdrücken
  4. Die Fehler und Schwächen des anderen (Gegners) aufdecken
  5. Eine Win-Win-Lösung vorschlagen

Diese Dialog-Methode wurde von Hildegard und Jean Goss-Mayr im IFOR entwickelt, in ihren weltweiten Trainings eingeübt, und vom belgischen Trainingszentrum des IFOR ‘Sortir de la Violence’ um das ‘Rad des Dialogs’ ergänzt, unter Einbezug vieler biblischer Konfliktbeispiele.

 

Ii. Trainings für TrainerInnen (KursleiterInnen)

Mit diesen Trainer-Kursen soll ein Pool von KursleiterInnen geschaffen werden, welche die oben genannten direkten Kurse anleiten könnten, besonders für die spezifischen 3 Themen der Zivilcourage, Cercle Restauratifs und Rad des Dialogs, ev auch für neue Themen. Die Absicht ist, KursleiterInnen des IFOR-Schweiz für die verschiedenen Regionen inhaltlich und pädagogisch auszubilden. Trainings für TrainerInnen können sowohl IFOR-intern für neue Themen, als auch extern für Externe angeboten werden.

 

  1. Veranstaltungen

 

  1. Zivilcourage

Neben Kursen können auch Veranstaltungen zur Zivilcourage organisiert werden, zb  in Form von ‘Theater des Lebens’ mit interaktiven Spektakeln von etwa 2 ½ Std Dauer, in denen anhand konkreter Szenarios gewohnte Verhaltensweisen mit Freiwilligen inszeniert und bewusst gemacht werden, und alternative Verhaltensweisen durchgespielt und erprobt werden.

 

Drei Methoden fürs Einüben von Zivilcourage, aber auch für andere Themen wären für den IFOR-Schweiz denkbar:

 

 

  • Forumtheater

 

Im Forumtheater wird dem Publikum eine konkrete (Konflikt-)Szene aus dem Alltag vorgespielt. Nach dem ersten Durchgang wird die Szene wiederholt, wobei das Publikum intervenieren kann, indem es ‘Stop!’ ruft, worauf die Szene im Moment einfriert, bis der Rufer die Rolle, die er ersetzen will, eingenommen hat, und nun seine Verhaltensidee ausführt. Nach Abbruch des Spiels werden in der Auswertung der Verlauf, die beobachteten Reaktionen und Gefühle und mögliche Alternativen analysiert, und ev in weiteren Durchgängen gleich erprobt

 

  1. Polizist im Kopf

Bei dieser Theatermethode stellt ein freiwilliger Protagonist auf der Bühne einen  inneren Konflikt mit widerstreitenden Wünschen, Bedürfnissen und innerlichn Verboten vor. Freiwillige aus dem Publikum werden eingeladen, sich auf der Bühne hinter den Protagonisten zu stellen und das eine oder andere der Gefühle oder Verbote mit einer Geste oder einem typischen Ausdruck zu verkörpern. Dies ermöglicht, innerliche Widersprüche oder Blockaden ins Bewusstsein zu bringen

 

  1. Regenbogen der Wünsche

Ähnlich wie die vorherige Methode will der Regenbogen die Vielschichtigkeit einer Situation, in der man mit den Wahrnehmungen, Gefühlen und Bedürfnissen einer anderen Person konfrontiert ist bewusst machen. Ein Protagonist präsentiert eine konkrete Szene, aber diesmal mit einem Antagonisten. Je drei Gefühle bei den Beiden werden ausgewählt, und alternierend von Freiwilligen aus dem Publikum gespielt. Die Übung macht deutlich, warum ein Antagonist so reagiert, und zeigt Verhaltenswege auf, die weniger eskalierend wirken.

Zusammenfassung und Vorschlag

Basierend auf den vorangehenden Erläuterungen kann IFOR eine 30%-Stelle für die Friedensbildung errichten, im Wissen, dass die Projekte, welche von der für diese Aufgabe angestellten Person entwickelt werden, so viel Geld einbringen werden, um die Kosten für diese Stelle decken zu können. Auf diese Weise kann IFOR eine direkte Wirkung erzielen im Bereich der Friedensbildung in der Schweiz. Die oben beschriebenen Projekte sind Vorschläge. Andere Ideen könnten ausgearbeitet und mit gleichem Effekt und Finanzierungsmodell realisiert werden.

 

Hinzu kommt, dass diese Stelle mit der wichtigen Arbeit eine Aussenwirkung haben wird, mit der die Zahl der Mitglieder, der Spenden erhöht werden kann.  Junge Menschen sollen sich motivieren lassen, sich bei IFOR zu engagieren und/ oder sich für den Frieden einzusetzen.

 

IFOR könnte auch die Stellenprozente dieser Anstellung erhöhen, da nicht die Kosten steigen werden, sondern die Wirkung vergrössert und das Engagement der Mitglieder gefördert wird.

Der Antrag an die ausserordentliche Versammlung vom 16.9.2017 ist, der Schaffung dieser 30%-Stelle für Friedensbildung zuzustimmen. Die Stelle soll vorerst auf ein Jahr befristet bewilligt werden. Aufgrund der Evaluation und Berichterstattung kann in einem nächsten Schritt über die Weiterführung entschieden werden. Der Vorstand schlägt vor, das erste Jahr dazu zu nutzen die Projekte auf die Beine zu stellen und die Kosten dafür mit der Entschädigung des Stelleninhabers zu decken, so dass keine weiteren Kosten entstehen. Es ist zu bestimmen, ob das Salär im Sinne eines garantierten Mindesteinkommens tiefer angesetzt wird, falls die Projekte sich nicht selber wie vorgesehen finanzieren. Ebenso kann ein Mechanismus betreffend Reserven IFOR/ Ausgaben für die Stelle Friedensbildung beschlossen werden, der es erlaubt, die Entschädigung dieser Stelle zu erhöhen, wenn mehr Geld aus den Projekten zurück fliesst. Dies kann zwischen der angestellten Person und IFOR geregelt werden.