Amos Gvirtz: Gaza lässt uns das Leben wählen

Amos Gvirtz ist Mitgründer des regionalen Zweiges vom Internationalen Versöhnungsbund in Israel “Israelis and Palestinians for Nonviolence” (Palästinenser mit einem israelischen Pass). Sein Aufruf aufgrund der aktuellen Situation in Gaza ist von grosser Bedeutung. Die englische Originalversion befindet sich im Anschluss an diese Übersetzung.

Wird der gewaltfreie Widerstand in Gaza eine Wende herbei führen? Israel hat den mörderischen Kampf palästinensischer Terrororganisationen immer als Grund genannt für seine Politik. Doch nun hat Gaza beschlossen, den Weg der Gewaltfreiheit zu versuchen. Was als Privatinitiative anfing wurde von Hamas übernommen. Klar, es ist nicht ein rein gewaltfreier Kampf, es ist ein unbewaffneter ziviler Volkswiderstand mit dem Potential, anstelle der Politik der Gewalt zu treten. Ein Erfolg des gewaltfreien Kampfes würde Israels Behauptung ins Wanken bringen, wonach die Annektierung der besetzten Gebiete auf Sicherheitserwägungen beruhe und er würde die Regierung zwingen, ihren Kurs zu ändern, in Richtung des Friedens statt der Annektierung.

Aus diesem Grund unternimmt die Regierung jede Anstrengung, den Protest zum Scheitern zu bringen. Sie tut dies durch Streuung falscher Propaganda welche besagt, dass dieser Protest für Israel und seine Souveränität eine Gefahr darstellt.

Die internationalen Reaktionen waren schwach und die USA signalisierten gar Unterstützung der Tötung unbewaffneter DemonstrantInnen. Hier ist eine radikale islamistische Organisation mit einem Bekenntnis zur Gewalt; nun erwägt sie die Möglichkeit, sich dem gewaltfreien Widerstand zuzuwenden. Die Ermutigung dieser Entwicklung könnte andere islamistische Terrororganisationen in der Welt motivieren, diese Option zu übernehmen. Doch Israel hat sich entschieden, all dies im Keim zu ersticken.

Hamas hat uns in Wirklichkeit die Möglichkeit gegeben, den Konflikt zwischen uns von einer gewaltsamen auf eine gewaltfreie Bühne zu verlagern. Wir alle erinnern uns an den Terror der Raketen, welche auf uns abgefeuert wurden während der letzten Auseinandersetzungen in Gaza. Wir erinnern uns schmerzvoll an die Todesfälle dieser Auseinandersetzungen. Wir alle fürchten, die nächsten Auseinandersetzungen könnten noch schlimmer ausfallen. Doch Israels Rechtsregierung zieht den bewaffneten Kampf vor – welchen es mit Leichtigkeit zu gewinnen glaubt. Wir BürgerInnen Israels haben die Wahl zwischen einem endlosen Krieg mit all seinen Leiden und Toten, und einem Kampf, welcher unser Leben und unsere Sicherheit nicht in Gefahr bringt. Man muss verstehen, dass Respekt vor dem Leben und Achtung für die Existenz der Feinde im Kern des gewaltfreien Widerstandes liegt. Mit andern Worten: Im Augenblick wo Hamas die Gewalt aufgibt zugunsten der Gewaltfreiheit im Streben nach Gerechtigkeit für das palästinensische Volk, gibt sie ihren Wunsch auf, uns zu zerstören.

Während vielen Jahren lautete Israels Botschaft an die Welt, dass wir an der Front eines globale Kampfes gegen den islamischen Terror sind. Nun hat die Organisation, welche am engsten mit diesem Terror identifiziert wird, eine Initiative ergriffen deren Tragweite nicht überschätzt werden kann: den Weg der Gewaltfreiheit zu wählen. Der Erfolg dieser Initiative wird ein Hinweis an die islamistischen Organisationen sein, welche den gleichen Weg wählen könnten, was der Welt nur zugute käme. Daher ist es im Interesse des Westens, dass dieses Experiment erfolgreich ist. I hoffe darum, dass westliche Staaten auf Israels rechte Regierung Druck ausüben werden, ihre Art des Umgangs mit diesem zivilen Widerstand zu ändern.

Sollten die führenden Persönlichkeiten des Westens dies nicht tun, appelliere ich an die BürgerInnen des Westens: Ermutigt die Palästinenser, solange sie den Terror zugunsten von friedlichem zivilem Widerstand aufgeben, durch Verstärkung von BDS (Boycott, Divestment, Sanctions), welches im Grunde ein gewaltfreier Widerstand ist.  Wer immer gegen Gewalt ist, muss einer Alternative bieten.

Gaza ist am Rand einer humanitären Katastrophe. In dieser schrecklichen Lage haben die Palästinenser in Gaza entschlossen, eine Option zu versuchen welche sie bisher nicht ausprobiert haben. Sie verlangen das Ende der Besetzung und Gerechtigkeit für die Palästinenser, ohne unser Leben und unsere Sicherheit in Gefahr zu bringen. Dies ebnet den Israelis den Weg zu einer lokalen und internationalen Aktion, welche zwei Millionen Menschen das Leben retten wird, ohne unsere eigene Sicherheit zu gefährden. Zudem wird es den Weg öffnen zum Frieden zwischen unseren Völkern, mit möglichen Vorteilen für die Beziehung zwischen der islamischen Welt und dem Westen. Um unserer Zukunft willen müssen wir alles unternehmen um dieses Experiment zum Erfolg zu bringen. Lasst uns das Leben wählen!

Übersetzung Hansuli Gerber

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